Strom soll billiger werden. “Wir sagen den Leuten, mit uns spart ihr 40 Milliarden!“

München/Berlin. In der Großen Koalition ist der Streit um den Atomausstieg wieder ausgebrochen. Die Union bekräftigte gestern ihre Forderung nach längeren Laufzeiten der Kernkraftwerke.

CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder kündigte nach einer Klausurtagung in München an, die Union werde den Streit darüber auch zum Thema des Bundestagswahlkampfs machen. "Wir sagen den Menschen: Mit uns könnt ihr 40 Milliarden Euro sparen. Wir werden sehen, was bei den Menschen besser ankommt", sagte er. Durch längere Laufzeiten der Atomkraftwerke würden die Stromkonzerne geschätzte 50 Milliarden Euro sparen. Davon will die CDU/CSU 40 Milliarden an die Bürger fließen lassen.

SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier wies die Forderung zurück. "Der Ausstieg aus der Kernenergie ist vereinbart, und zwar vertraglich vereinbart", sagte der Außenminister und Vizekanzler. Mit den Sozialdemokraten gebe es kein Abrücken von dieser Haltung.

Kauder begründete den Ruf nach längeren Laufzeiten der Kernkraftwerke mit dem Streben, die Strompreise zu senken. Vom Zusatzgewinn der Energiekonzerne könnten 40 Milliarden Euro über einen Fonds an die Stromkunden zurückgegeben werden. Der CDU-Politiker räumte aber ein, die Verlängerung der Laufzeiten sei "in dieser Legislaturperiode nicht mehr möglich, weil die SPD nicht mitmacht". Deshalb "wird das ein Thema im Wahlkampf werden", so Kauder.

Verbraucherschützer bezweifelten indes, dass sich mit dem Unionskonzept für längere AKW-Laufzeiten der Strompreis nennenswert senken lasse. Nach Berechnungen des Bundesverbands der Verbraucherzentralen wären die finanziellen Auswirkungen gering, schrieb die "Financial Times Deutschland".

Würden die Kraftwerksbetreiber - wie von der Union angestrebt - 40 Milliarden Euro in einen Fonds einzahlen, würde danach verteilt auf die Laufzeit der Kraftwerke die Kilowattstunde Strom rund 0,25 Cent billiger. "Das sind 8,75 Euro pro Haushalt und Jahr und entspricht in etwa der Einsparung, die man mit einer einzigen Energiesparbirne erreichen kann", sagte der Verbraucher-Experte Holger Krawinkel dem Blatt.

Unklar blieb auch, bis wann sich die 40 Milliarden Euro angesammelt haben sollen. Erst ab dem Jahr 2021 - also in 13 Jahren - erwartet die Union, dass die Konzerne pro Jahr fünf Milliarden Euro zusätzliche Gewinne machen können.

Steinmeier: Nicht am Atomausstieg rütteln Der designierte SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier sieht keinen Grund, am Ausstieg aus der Atomenergie zu rütteln. Der Ausstieg sei vertraglich vereinbart worden, sagte der Außenminister gestern am Rande einer Botschafterkonferenz in Berlin mit Hinweis auf die Abmachung mit der Industrie und die Vereinbarung im Koalitionsvertrag. "Wir haben die Chance, wenn wir unsere Möglichkeiten nutzen, die Energieversorgung dauerhaft zu sichern." Dies sei mit dem breiten Energie-Mix, der in Deutschland zur Verfügung stehe, möglich. Dazu gehörten der Ausbau der erneuerbaren Energien sowie Anstrengungen für eine höhere Energieeffizienz. "Im Übrigen bleibt es bei dem breiten Mix, aber auch beim Ausstieg aus der Kernenergie", sagte Steinmeier.

Die CSU verteidigte dagegen das auf der Klausurtagung in München beschlossene Energiekonzept. Der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein forderte eine Laufzeitverlängerung um zehn oder zwölf Jahre und erklärte, dies würde einen jährlichen wirtschaftlichen Vorteil von fünf bis acht Milliarden Euro bedeuten. Dieser solle für den Ausbau erneuerbarer Energien verwendet werden sowie vor allem dafür, "dass auch der Bürger bezahlbare Energie behält und nicht von Preissteigerungen betroffen ist, sondern vielleicht sogar Preisreduzierungen zu erwarten hat". Auch der CSU-Vorsitzende Erwin Huber erklärte, die Verlängerung der Laufzeiten sei notwendig, "weil wir sonst in eine Energielücke hineinlaufen, die niemand verantworten kann".

Der Energiekonzern und Atomkraftwerksbetreiber RWE hat sich grundsätzlich bereit erklärt, einen Teil der Gewinne aus längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke an die Bundesregierung abzugeben. "Wie hoch der Anteil ist, ist aber zu diskutieren", sagte RWE-Sprecher Martin Pack.