Wenn sich zwei große Parteien im Wesentlichen nur noch dadurch unterscheiden, dass die eine schneller schrumpft als die andere, wird es für sie...

Wenn sich zwei große Parteien im Wesentlichen nur noch dadurch unterscheiden, dass die eine schneller schrumpft als die andere, wird es für sie schwer, zündende Wahlkampfthemen zu finden. Wenn sie wie CDU/CSU und SPD auch noch zusammen regieren, ist es fast unmöglich - gäbe es da nicht den alten Spaltpilz Kernenergie.

Der Ausstieg, einst unter Rot-Grün beschlossen, lief der Union schon immer gegen den Strich. Klare Kante statt Schmusekurs ist die Parole. Zur Motivation der Wähler werden Rechnungen über ein Milliarden-Sparpotenzial aufgemacht. Das wirkt mehr als allgemeine energiepolitische Betrachtungen.

Das deckt allerdings auch nur eine Seite der deutschen Mentalität ab. Neben den Sparern gibt es hier auch die Empfindsamen, die bei jedem Physikexperiment die Welt im schwarzen Loch versinken sehen oder das Ende der Menschheit wahlweise durch Vogelgrippe, BSE oder Schweinepest befürchten. Für 8,75 Euro im Jahr lässt sich da niemand seine Atom-Phobie abkaufen.

Solange der Ölpreis steigt und kein Zwischenfall in einem Kernkraftwerk auftritt, könnte sich mit dem Thema punkten lassen. Andernfalls erleidet die Union den gleichen Schiffbruch wie im vergangenen Bundestagswahlkampf. Mit großem Vorsprung gestartet, entdeckte sie den Wirtschaftsliberalismus und Professor Kirchhof für sich und stellte die sozialstaatliche Umverteilungsmaschinerie infrage.

Gerade noch rechtzeitig wurde die Notbremse gezogen und die Wahl knapp gewonnen. Deutschland ist nicht das Land von Freiheit und Risiko.