Montgomery: “Jeder Fehler ist ein Fehler zu viel.“ Kampagne gestartet.
Berlin/Hamburg. Jedes Jahr sterben mehr als 5000 Menschen in Deutschland infolge falscher medizinischer Behandlung - mehr als im Straßenverkehr. Die Zahl ärztlicher Kunstfehler und falscher Behandlungen soll nun drastisch reduziert werden. Ein "Aktionsbündnis Patientensicherheit" aus Ärzteorganisationen, Krankenkassen und Politikern forderte die Mediziner auf, zu ihren Fehlern zu stehen und aus falschen Entscheidungen Folgerungen zu ziehen.
In der 43 Seiten starken Broschüre "Aus Fehlern lernen" schildern 17 Ärzte, Pfleger und Therapeuten Situationen, in denen sie etwas falsch gemacht haben. Der eine drängte eine 75-Jährige zu einer schweren Herzoperation, nach der sie starb. Der andere vergaß ein Pflaster, um eine Kanüle am Infusionsständer zu fixieren. Der dritte operierte das falsche Knie bei einem Patienten.
"Jeder Fehler ist ein Fehler zu viel", sagte der Vizepräsident der Deutschen Ärztekammer, der Hamburger Radiologe Frank Ulrich Montgomery, dem Abendblatt. "Wir brauchen ein barrierefreies Meldesystem, in dem ähnlich wie in der Luftfahrt auch bei Beinahekollisionen aus Fehlern gelernt wird."
Bei der Schlichtungsstelle der Ärzte seien 10 000 Fälle anhängig. Gemessen an 14 Millionen Operationen jährlich in Deutschland, davon 1,5 Millionen ambulant, sei das recht wenig. "Aber es ist das natürliche Recht des Patienten, dass Fehler aufgearbeitet werden", sagte Montgomery.
"Niemand kann garantieren, dass keine Fehler geschehen", sagte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Eine wichtige Voraussetzung für die Qualitätssicherung im Gesundheitswesen sei, sich den eigenen Fehlern zu stellen. Schätzungen zufolge erleiden jedes Jahr 500 000 Patienten gesundheitliche Schäden in Krankenhäusern, rund 130 000 davon aufgrund fehlerhafter Behandlung.
Die Ortskrankenkassen helfen jedes Jahr 10 000 Versicherten dabei, den Verdacht auf eine fehlerhafte Behandlung zu klären, sagte Hans Jürgen Ahrens, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. Meist gehe es um Infektionen im Krankenhaus. Danach folgten Verschreibungsfehler und Vertauschung von Medikamenten. Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, gab öffentlich einen Fehler zu: Zu Beginn seiner Karriere habe er einen Patienten mitbehandelt, der zu viel Barbiturate geschluckt hatte. Doch statt das Mittel Eukraton zu holen, habe er zum Narkosemittel Eunarkon gegriffen. Beide Mittel standen alphabetisch sortiert als braune Injektionsampullen im Medikamentenschrank nebeneinander. Hoppe sagte, der Patient habe überlebt. Danach wurde das Narkosemittel farblich markiert.
17 Ärzte und Pfleger berichten in der Broschüre "Aus Fehlern lernen":
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