Hamburg. Durch die Gesundheitsreform der Bundesregierung wird es künftig einen Einheitssatz für die gesetzliche Krankenversicherung und möglicherweise Zusatzprämien geben, die die Versicherten zahlen müssen. Das Abendblatt sprach mit Jens Luther, Vorstand der Hanseatischen Krankenkasse.


Abendblatt:

Herr Luther, alle Beiträge fließen ab 2009 in einen Gesundheitsfonds. Unterschiede zwischen gesunden und kranken Versicherten der Kassen werden über einen komplizierten Mechanismus ausgeglichen. Was ist so schlecht daran?

Jens Luther:

Diese Marschrichtung ist wettbewerbsfeindlich und ebnet den Weg in die Einheitsversicherung. Die Formel dafür ist ganz einfach: Ein Spitzenverband plus ein Beitragssatz plus ein vollständiger Ausgabenausgleich zwischen gesunden und kranken Versicherten bedeutet: keine Unterschiede zwischen den Krankenkassen und keine komparativen Vorteile für Versicherte.



Abendblatt:

Schon heute gibt es einen Risikostrukturausgleich (RSA), in den einige Kassen zahlen, aus dem andere Geld bekommen. Was ändert sich für die Versicherten?

Luther:

Das Umverteilungsvolumen wird noch größer. Warum? Weil künftig 100 statt 90 Prozent der Einnahmen ausgeglichen werden sollen und ein heute nur zum Teil vorhandener Morbiditäts-Ausgleich (Risiko-Pool, Chroniker-Programme) deutlich erweitert werden soll, der sogenannte Morbi-RSA. Die HEK zahlt heute ca. 100 Millionen Euro in den RSA. Diese Ausgleichssumme wird steigen! Es ist das - unausgesprochene - politische Ziel, die Geberkassen noch stärker als bisher zu belasten. Ohne den jetzigen Ausgleich müssten die Beiträge der AOK um 4,38 Beitragssatzpunkte höher sein. Der Beitrag der HEK wäre um 2 Punkte geringer.



Abendblatt:

Wenn die HEK von ihren Versicherten eine Zusatzprämie erhebt, müsste sie dann für jeden ein zusätzliches Konto einrichten?

Luther:

Ja, sowohl bei der Erhebung als auch bei einer Ausschüttung einer Zusatzprämie. Die HEK müsste für ihre beitragzahlenden Mitglieder 260 000 Konten einrichten. Allein die Verwaltung von jedem Konto kostet 2 Euro monatlich pro Mitglied. Darüber hinaus besteht beim Einzug einer Zusatzprämie ein erhebliches Inkasso-Risiko. Das Einklagen der Gelder über Gerichtsvollzieher ist in Deutschland erst ab einem Betrag von 50 Euro möglich. Eigentlich sollte man aus Erfahrungen lernen. 1997/1998 mussten alle Mitglieder der GKV 20 DM jährlich für die Sanierung der deutschen Krankenhäuser bezahlen. Nur 80 Prozent der HEK-Mitglieder sind dieser gesetzlichen Verpflichtung nachgekommen.



Abendblatt:

Erklären Sie doch mal, warum Versicherte für gesundheitsbewusstes Verhalten plötzlich bestraft werden. Was hat dieser Mechanismus mit dem Fonds zu tun?

Luther:

Versicherte der HEK sind im Durchschnitt gesünder als GKV-Versicherte in ihrer Gesamtheit. Das liegt daran, dass sich ein Großteil der HEK-Mitglieder gesundheitsorientiert und eigenverantwortlich verhält und die HEK seit Jahrzehnten dieses Verhalten durch beträchtliche Investitionen in Vorsorge-Programme unterstützt. Das führt zum Start des Fonds durch den Morbi-RSA dazu, dass wir quasi über Nacht weniger Geld - zugunsten anderer Krankenkassen - für die Versorgung unserer Mitglieder aus dem Fonds bekommen.



Abendblatt:

Ist das nur das Problem der HEK?

Luther:

Ortskrankenkassen haben im Gegensatz zu anderen Krankenkassen keine Pensionsrückstellungen gebildet. Damit haben sie in der Vergangenheit einen Wettbewerbsvorteil gehabt. Jetzt, wo die Ortskrankenkassen diese Rückstellungen auch bei sich aufbauen sollen, wird allen Ernstes gefordert, dass andere Krankenkassen - die bereits ihre Pensionsrückstellungen über ihren Beitragssatz jahrelang finanziert haben - sich daran beteiligen sollen. Dies nenne ich Sozialismus. Es ist ungeklärt, wer für die Pensionsansprüche von AOK-Mitarbeitern in Höhe von acht Milliarden Euro haften soll.