SPD-Politiker versichert: “Meine Entscheidung hat rein familiäre Gründe.“ Neuer Vizekanzler wird Außenminister Steinmeier.
Berlin. Franz Müntefering, das sozialdemokratische Schwergewicht in der Großen Koalition, tritt ab: Der Vizekanzler und Arbeitsminister hat aus Sorge um seine kranke Frau und nach einer Serie politischer Niederlagen überraschend den Rückzug von seinen politischen Spitzenämtern angekündigt. Der Grund für seinen Schritt sei "rein familiär und persönlich", betonte der 67-Jährige.
Nachfolger im Ministeramt wird der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, der Hamburger Olaf Scholz. SPD-Chef Kurt Beck, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, sagte, er wolle nicht ins Kabinett wechseln. Den Posten des Vizekanzlers übernimmt der neue SPD-Parteivize und Außenminister Frank-Walter Steinmeier.
Müntefering, der am 21. November seine Ämter abgeben will, versicherte, Grund für seinen Rückzug sei ausschließlich die schwere Erkrankung seiner Frau Ankepetra. Sie leidet seit Langem an Krebs. Müntefering sagte, seine Frau habe seit 2001 fünf Operationen über sich ergehen lassen müssen. "Es wird eine lange Phase der Reha geben, und ich möchte dabei sein." Es lasse sich nicht vereinbaren, gleichzeitig bei der Ehefrau zu sein und ein Ministerium zu leiten. Ersteres sei jetzt seine wichtigste Aufgabe.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bedauerte den Rücktritt ihres Stellvertreters. Es gebe im Leben aber "Wichtigeres als Politik". Sie werde auch mit Scholz und Steinmeier auf deren neuen Posten "vertrauensvoll" zusammenarbeiten.
Der Vizekanzler, der sich 2005 ähnlich überraschend vom Amt des SPD-Parteivorsitzenden zurückgezogen hatte, hatte sich in der Nacht zuvor im Koalitionsausschuss nicht mit der Forderung für einen Post-Mindestlohn durchsetzen können (siehe Bericht links). Müntefering sagte, er habe Parteichef Beck noch vor der Sitzung über seinen Rücktrittswunsch informiert. Es solle nicht der Eindruck entstehen, die Koalitionsrunde habe seine Entscheidung beeinflusst. Müntefering will aber weiter Bundestagsabgeordneter bleiben: "Dies ist kein Abschied und schon gar kein Ausstieg."