Kommentar
Der Rückzug Franz Münteferings als Bundesarbeitsminister und Vizekanzler stellt eine Gezeitenwende dar - nicht mehr und nicht weniger. Denn "Münte" wirkte sowohl in der SPD als auch in der Großen Koalition als stabilisierender Faktor.
Für viele Sozialdemokraten war Müntefering eine wichtige Identifikationsfigur, deren Platz und Bedeutung so schnell kein anderer SPD-Politiker einnehmen dürfte. In weiten Teilen der Bundestagsfraktion wird seine Entscheidung als herber Verlust empfunden. Denn mit Müntefering verlässt auch ein bekennender Reformbefürworter die Führungsmannschaft. In der Koalition galt Müntefering als verlässlicher Partner, mit dem eine gute Zusammenarbeit möglich war. Für die SPD war er dort ein Garant dafür, dass man sich mit der Kanzlerin auf Augenhöhe bewegen konnte.
Dass es die schwere Krankheit seiner Frau ist, die die politische Karriere des Franz Müntefering so abrupt beendet, ist tragisch. Eigentlich hatte der machtbewusste Politiker noch bis mindestens 2009 in Berlin wirken wollen. Und so gebührt dem scheidenden Vizekanzler höchster Respekt für seine Entscheidung. Es gibt eben Dinge, die wichtiger sind als Politik - da ist auch Müntefering ganz und gar Mensch.
Das Arbeitsministerium hat unter der Leitung des Sauerländers an innenpolitischer Bedeutung stark gewonnen. Viele wichtige und populäre Initiativen gingen von ihm aus. Und auch wenn mit dem derzeitigen SPD-Fraktionsgeschäftsführer Olaf Scholz als neuem Bundesarbeitsminister ein fachlich und koalitionspolitisch höchst versierter Nachfolger bestimmt wurde: Mit dem gestrigen Tag hat die SPD ein politisches Schwergewicht und sozialdemokratisches Original in Berlin verloren.