Kommentar

Daß sich in der Visa-Affäre die Grünen um ihren Leitwolf Joschka Fischer scharen, ist kein Wunder. Denn ohne Fischer wären die Grünen, das wissen sie, vorerst nur die Hälfte wert. Es ist auch keine Überraschung, daß Kanzler Schröder dem Außenminister und Vizekanzler demonstrativ Rückendeckung gibt. Schließlich weiß Schröder ganz genau: Wenn Fischer wackelt, bebt auch die Koalition.

Wirklich verwunderlich ist in der Affäre im Augenblick nur das miserable Krisenmanagement der Grünen und auch Fischers. "Transparenz schafft Vertrauen", schrieb die Partei über einen Beschluß in anderer Sache. Doch in der Visa-Affäre sorgen die Grünen und ihr heimlicher Vorsitzender eben derzeit nicht für Transparenz, schaffen deshalb auch kein Vertrauen, sondern schüren eher Mißtrauen.

Fischer brach gestern zwar sein Schweigen. Doch er gab keine befriedigenden Auskünfte, er hüllte die Affäre nur noch weiter in Nebel. Wann wußte er was über Mißstände in der Visa-Praxis? Wurden in seinem Haus Warnungen überhört, ignoriert oder vorsätzlich mißachtet? Fischer blieb gestern Antworten schuldig. Er muß ziemlich abgehoben sein, sollte er allen Ernstes glauben, die Öffentlichkeit mit ein paar Info-Häppchen abspeisen und auf Aussagen irgendwann im Untersuchungsausschuß vertrösten zu können. Wer eine weiße Weste hat, der kann sich anders präsentieren.

Die Bereitschaft zur Übernahme der politischen Verantwortung hat Fischer immerhin erklärt. Doch das Bekenntnis zur Ministerverantwortung ist eine hohle Phrase, solange Fischer nicht sagt, welche Konsequenzen er daraus ziehen will. Die Opposition sucht in der Visa-Affäre natürlich weniger die lautere Wahrheit als die Chance, Fischer zu demontieren. Mitunter entzaubern sich Politiker aber durch den Umgang mit einer Affäre auch selbst. Fischer ist auf diesem Weg.