Kommissar bringt im Abendblatt ein Sozialpaket ins Gespräch: “Das ist günstig für die Konjunktur.“

Hamburg/Brüssel. Vor dem Spitzentreffen zur Wirtschaftskrise im Kanzleramt hat EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla die Bundesregierung zu einer Erhöhung der Sozialleistungen aufgefordert. "Wenn sich Deutschland für ein Sozialpaket entscheidet, begrüße ich das ausdrücklich", sagte Spidla im Interview mit dem Abendblatt. "Wer in der Krise die Sozialleistungen ausweitet, stärkt die sogenannten automatischen Stabilisatoren. Das ist günstig für die Konjunktur."

Der tschechische EU-Kommissar bezeichnete es als "überlegenswert", das Kurzarbeitergeld in Deutschland von 18 auf 24 Monate zu verlängern. Es sei "wichtig, dass so viele Menschen wie möglich in der Krise den Kontakt zu ihrer Arbeit halten", betonte er. Über Maßnahmen wie die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I oder die Erhöhung von Hartz IV müsse "auf nationaler Ebene gründlich diskutiert werden".

Auf Einladung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) treffen sich am Mittwoch rund 40 Unternehmer, Gewerkschafter, Wissenschaftler und Koalitionspolitiker. Die Runde will über die Wirtschaftsentwicklung sprechen und die bisherigen Konjunkturprogramme I und II bewerten. Über ein drittes Konjunkturpaket - etwa in Form eines Sozialpakets - will die Kanzlerin bisher nicht beraten. Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg sagte am Freitag in Berlin, das Treffen solle deutlich machen, dass die gravierende Finanz- und Wirtschaftskrise nur durch "eine gemeinsame Kraftanstrengung gemeistert" werden könne.

Spidla erwartet, dass es auf dem europäischen Arbeitsmarkt erst im Frühsommer 2010 wieder aufwärtsgeht. "Was den Arbeitsmarkt angeht, wird die Talsohle im Mai des kommenden Jahres erreicht sein", sagte er. In dem Interview warnte der Kommissar: "In manchen Ländern ist die Lage sehr gespannt. Man kann soziale Unruhen nie ausschließen."

Der Sozialkommissar richtete einen eindringlichen Appell an die Regierungen der EU: "Wir müssen die Kurzarbeit in Europa ausweiten. Menschen, für die es gerade keine Arbeit gibt, dürfen nicht gleich entlassen werden. Sie müssen ihrem Unternehmen erhalten bleiben - und Fortbildungskurse besuchen." Menschen, die ihren Job verlieren, müssten "umfassende staatliche Unterstützung erhalten - nicht zuletzt bei der Suche nach einem neuen Job".