15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben in Deutschland. Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung hat in seiner aktuellen...

15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben in Deutschland. Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung hat in seiner aktuellen Studie festgestellt, dass es mit den vorhandenen Instrumentarien offensichtlich derzeit nicht in ausreichendem Maße gelingt, Menschen mit Migrationshintergrund zu integrieren.

Offenbar werden die Ziele der Politik, die Integration von Zuwanderern und deren Nachkommen zu verbessern und die Zuwanderung entsprechend den wirtschaftlichen Möglichkeiten und Bedürfnissen unseres Landes zu steuern und zu begrenzen, nicht erreicht.

Ich halte die Studie für eine wichtige Grundlage, um über ein zukunftsfähiges, modernes Ausländerrecht für Deutschland nachzudenken. Eines ist mir dabei aber ganz wichtig: Lassen Sie uns offen, ehrlich und ausgewogen über die Ergebnisse der Studie diskutieren, ohne dass wir Ausländergruppen stigmatisieren oder Ressentiments schüren. Es darf nicht sein, dass die Ergebnisse der Studie bestimmten Kreisen, womöglich noch dem rechtsextremistischen Milieu, Argumente gegen Zuwanderung und Integration liefern. Auf der anderen Seite darf es aber auch keine Denkverbote geben. Das Eingeständnis muss erlaubt sein, dass es in Deutschland in Teilbereichen Defizite bei der Integration gibt - auch wenn wir in Hamburg auf einem guten Weg sind, wie die Studie belegt.

Die Studie bestätigt mich im Übrigen in meiner Meinung, in der Kriminalstatistik auch den Migrationshintergrund zu erheben. Mein Ziel ist es gerade nicht, einzelne Bevölkerungsgruppen zu kriminalisieren. Mir geht es vielmehr darum, fundierte Informationen für eine noch bessere Präventionsarbeit zu erhalten. Wir haben in Hamburg sehr gute Erfahrungen damit gemacht, die Herkunft von Tätern zu berücksichtigen.

So konnte vor einiger Zeit bei einer Studie unseres Landeskriminalamtes das Vorurteil widerlegt werden, Aussiedler seien krimineller als deutsche Tatverdächtige ohne Migrationshintergrund. Das macht deutlich, dass der pauschale Vorwurf der Stigmatisierung nicht zutrifft. Wir müssen Fakten ohne ideologische Scheuklappen erheben können, um danach vernünftig und sachgerecht zu handeln.

Es muss erlaubt sein, darüber nachzudenken, ob Zielrichtung und Geist unserer Rechtsgrundlagen wirklich noch zeitgemäß und richtig sind. Grundannahme ist immer noch, dass Flüchtlinge, wenn sie zu uns kommen, irgendwann auch wieder in ihre Heimat zurückkehren werden. Doch die Realität sieht oft anders aus: Wenn zum Beispiel eine Familie seit Jahren bei uns lebt, wenn Kinder hier aufgewachsen und integriert sind, dann ist es doch häufig so, dass die Familie bei uns bleibt - oft nach endlosen Rechtsstreitigkeiten, die für beide Seiten, insbesondere für die Betroffenen, unbefriedigend sind. Auch das Instrument der Härtefallkommission ist Ausdruck dafür, dass wir etwas ändern müssen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich halte bei der gegenwärtigen Rechtslage die Härtefallkommission für ein sehr geeignetes Mittel, um in Einzelfällen zu prüfen, ob ein Aufenthalt möglich ist, obwohl es nach geltendem Recht eigentlich nicht geht. Eine Rechtslage, die mit einkalkuliert, dass man sie bricht, kann doch nicht richtig sein. Also liegt doch auf der Hand, dass wir handeln und das Recht modernisieren müssen. Deutschland braucht vor allem im Interesse der Betroffenen eine emotions- und vor allem ideologiefreie Diskussion um ein Ausländerrecht, mit dem wir uns zu einer Zuwanderung bekennen, diese aber endlich vernünftig steuern.

Einwanderungspolitik muss - wie in anderen Ländern auch - ein Stück weit von unseren eigenen Interessen geleitet sein.

Das heißt, dass wir in Zukunft mehr Gewicht auf die Integrationsfähigkeit und den Integrationswillen legen müssen. Wir müssen nach ganz klar definierten Voraussetzungen entscheiden, wen wir aufnehmen und wen nicht. Integration darf dabei keine Einbahnstraße sein. Wir sollten den Flüchtlingen, von denen wir wissen, dass sie bleiben wollen, von Anfang an ein ehrliches Angebot machen. Die Menschen, denen wir helfen, müssen sich in Deutschland nach Recht und Gesetz verhalten, müssen unsere Wertvorstellungen respektieren, unsere Sprache lernen und unsere Bildungs- und Ausbildungsangebote wahrnehmen. Unser Angebot im Gegenzug lautet dann: All diejenigen, die wir unter den neuen Voraussetzungen aufnehmen, sollten dann vom ersten Tag an ein vernünftiges Integrationsangebot, unter anderem mit Sprachkursen und Arbeitserlaubnis, bekommen.

Dabei bleibt eines selbstverständlich: Flüchtlingen in Not müssen wir auch künftig helfen. Hamburg als weltoffene Stadt wird immer bereit sein, Menschen aus Krisenregionen Schutz zu gewähren.

Politik und Gesellschaft sind in der Verantwortung, sich den aus der Studie ergebenden Defiziten offen und ehrlich, ohne Tabuisierung, zu stellen. Hiervon werden alle profitieren. Vor allem die betroffenen Menschen.


Christoph Ahlhaus ist seit dem vergangenen Jahr Innensenator in Hamburg. Der 39-jährige CDU-Politiker war zuvor Staatsrat der Behörde.