Abweichler aus Union und FDP könnten das Stabilisierungspaket zu Fall bringen. Deutschland soll bis zu 148 Milliarden Euro Garantien bereitstellen.
Berlin. "Das wird knapp", hatten selbst Bundesminister seit Tagen hinter vorgehaltener Hand prophezeit. Und tatsächlich: WennFreitag im Bundestag über den deutschen Anteil von bis zu 148 Milliarden Euro Kreditgarantien zur Euro-Stabilisierung abgestimmt wird, dann kommt es auf jeden einzelnen Abgeordneten der Regierungsfraktionen an. Grund: SPD und Grünen werden sich enthalten und nicht, wie von Kanzlerin Angela Merkel erhofft, aus Gründen der Staatsräson zustimmen; und auch in den eigenen Reihen von CDU/CSU und FDP konnten nicht alle Abweichler eingefangen werden.
Die Kanzlermehrheit sei dadurch aber nicht gefährdet, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder gestern. Tatsächlich votierten bei der Probeabstimmung in der Unionsfraktion sieben Abgeordnete mit Nein, und zwei enthielten sich. Bei der FDP hatte bereits am Dienstag eine große Mehrheit für das Paket gestimmt, bei fünf Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen. Insgesamt kann sich die schwarz-gelbe Koalition maximal 20 Abweichler aus den eigenen Reihen leisten. Auf knapp 20 Abweichler läuft es aber offenbar hinaus.
Die SPD schwenkte auf eine Enthaltung um, nachdem es tags zuvor noch geheißen hatte, die Fraktion werde entweder für Ja oder für Nein entscheiden. Die SPD könne nicht zustimmen, wenn nicht die Finanzbranche herangezogen werde, ihren Beitrag zur Bewältigung der Finanzkrise zu leisten, hieß es am Ende. Das Votum der Fraktion sei bis auf einen Abweichler geschlossen gewesen, berichteten Sitzungsteilnehmer. Kauder forderte die SPD daraufhin auf, ihrer "nationalen Verantwortung" gerecht zu werden und "parteipolitische Interessen" hinten anzustellen.
Die Grünen, die noch bei den Griechenland-Hilfen mit Ja votiert hatten, wollen sich ebenfalls enthalten. Die Partei halte den Rettungsschirm für "richtig und überfällig", wie Parteichef Cem Özdemir dem Abendblatt sagte. Die Enthaltung soll daher weniger mit dem Gesetz an sich zu tun haben, vielmehr mit der Informationspolitik Angela Merkels. Özdemirs Begründung: "Der Übereifer der Bundesregierung, die Gründung der 750 Milliarden Euro schweren Zweckgesellschaft binnen Tagen durchs Parlament zu boxen, ohne dass die vertraglichen Eckpunkte vorliegen, ist schwer hinnehmbar. Die Bundeskanzlerin hat offensichtlich kein Interesse an der Einbindung der Opposition." Und Fraktionschefin Renate Künast sagte, Merkel habe entgegen ihrer Ankündigung nicht erläutert, wie die Milliarden verwaltet werden sollten. Offenbar war man sich hinter den Kulissen gar nicht so einig in der Fraktion. Nach Abendblatt-Informationen votierten in der Probeabstimmung immerhin 21 Abgeordnete für die Zustimmung und 39 für die Enthaltung. Als einzige Fraktion wollen die Linken mit Nein stimmen.
Insbesondere in Brüssel blickt man gespannt auf die Abstimmung. Für die EU-Kommission gilt der Rettungsschirm nur als Startschuss für weitere Stabilisierungsmaßnahmen. "Der Rettungsschirm, die Garantien und Hilfen, sind ein Ergebnis auf Zeit, aber nicht die Lösung", stellte EU-Energiekommissar Günther Oettinger im Abendblatt klar. "Jetzt ist die Zeit, um einen Grundkonsens für weitere Maßnahmen zu erzielen", forderte er. Die EU-Staaten müssten "jetzt auf Sicht fahren", so sein Appell. "Wir als Europäische Kommission erwarten, dass die Mitgliedstaaten in spätestens zwei bis vier Jahren zurück bei maximal drei Prozent Neuverschuldung sind und damit wieder auf den Boden des Stabilitätspaktes zurückkehren."
Er betonte: "Danach erwarten wir, dass die EU-Staaten null Prozent anstreben." Oettinger bekräftigte den Anspruch der Kommission, künftig der Budgetplanung der Mitgliedsländer mitzureden. "Wer sich einen schludrigen Haushaltsentwurf leisten will, für den wird es in Zukunft unbequem", kündigte er an. "Wenn die Kommission einen Haushaltsentwurf eines EU-Staats bewerten und benoten kann, wird damit eine große öffentliche Wirkung erzielt." Oettinger forderte zugleich, "jetzt auch konsequent bei den Sanktionen voranzukommen".