Nordrhein-Westfalens CDU unter Jürgen Rüttgers verliert zweistellig. Merkel jetzt ohne Mehrheit im Bundesrat
Düsseldorf/Berlin. Die CDU/FDP-Regierung von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) ist nach nur fünf Jahren abgewählt. Die Christdemokraten erlitten gestern ein Debakel und lagen nach den letzten Hochrechnungen etwa gleichauf mit der SPD von Hannelore Kraft. Allerdings können die Grünen trotz eines starken Zuwachses weder Kraft noch Rüttgers ins Regierungsamt verhelfen. Die Wahlbeteiligung war mit unter 60 Prozent extrem niedrig (2005: 63,0).
In den letzten Hochrechnungen sah die ARD die CDU bei 34,6 und die SPD bei 34,5 Prozent. Die Grünen kamen auf 12,1 und die FDP auf 6,7 Prozent. Die Linke zog demnach mit 5,6 Prozent erstmals in den Düsseldorfer Landtag ein. Das ZDF dagegen errechnete noch einen knappen Vorsprung von 34,6 Prozent für die SPD gegenüber 34,5 Prozent für die CDU. Aber: In beiden Fällen kommen die großen Parteien zusammen mit den Grünen jeweils nur auf 90 Sitze. Das heißt Patt.
Damit wären eine Große Koalition oder ein rot-rot-grünes Bündnis möglich. Allerdings ging SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft gestern Abend noch einmal auf Distanz zur Linken. Fest steht dagegen, dass die Arbeit für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schwerer wird. Durch den Verlust der Landesregierung in NRW haben Union und FDP im Bundesrat ihre Mehrheit eingebüßt.
Bisher verfügten sie in der Länderkammer über 37 von 69 Stimmen, künftig werden es nur noch 31 sein. Die Kanzlerin ist nun stärker auf Kompromisse mit SPD und möglicherweise auch Grünen angewiesen - und sie hat es mit einem angeschlagenen Koalitionspartner FDP zu tun. Merkel braucht eine Mehrheit in der Länderkammer für ihre Großprojekte: Haushaltssanierung, Steuerentlastung, Gesundheitsreform.
SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft meldete umgehend ihren Anspruch auf das Ministerpräsidenten- Amt an. Sie sagte vor jubelnden Anhängern in Düsseldorf: "Drückt die Daumen: Stärkste Partei und rot-grün regieren - das ist das, was wir für Nordrhein-Westfalen wollen." Die SPD-Politikerin sagte weiter: "Eine Botschaft geht von Nordrhein-Westfalen hinaus ins ganze Land: Die SPD ist wieder da."
Aus Sicht von Rüttgers war es "für die CDU in Nordrhein-Westfalen, auch für mich ganz persönlich, ein bitterer Abend". Er betonte: "Eins ist klar: Ich persönlich trage die Verantwortung, die politische Verantwortung für dieses Ergebnis." Die nordrhein-westfälische CDU stellte sich hinter ihren Landesvorsitzenden. Der geschäftsführende Vorstand bat Rüttgers, "die Führung weiter wahrzunehmen".
SPD-Chef Sigmar Gabriel erwartet die Regierungsübernahme seiner Partei in Nordrhein-Westfalen. "Das System Rüttgers ist abgewählt worden", sagte er. "Es wird wieder Anstand in die Staatskanzlei einziehen, wenn Rüttgers ausgezogen ist." Das Debakel hat nach Einschätzung von CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe auch bundespolitische Gründe: "Auch der holprige Start der christlich-liberalen Koalition, zu viel Streit auf offener Bühne, hat dazu beigetragen." FDP-Chef Guido Westerwelle sprach von einem "Warnschuss" auch für die Regierung in Berlin.