Nach der Wahl steht NRW vor einer Pattsituation. Wird es nun eine große Koalition geben? Die CDU ist dafür. Und auch die SPD scheint nicht abgeneigt.

Nach dem Scheitern von Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen ringen CDU und SPD um die Macht in Düsseldorf. Bei der Landtagswahl am Sonntag wurde die bisherige schwarz-gelbe Landesregierung abgewählt, ohne dass sich jedoch neue klare Mehrheiten ergaben. Dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge erhielt die CDU 34,6 Prozent der Stimmen, die SPD 34,5 Prozent. Im Düsseldorfer Landtag verfügen jedoch weder Rot-Grün noch CDU und Grüne über eine Mehrheit. Möglich wäre eine große Koalition aus CDU und SPD sowie eine rot-rot-grüne Koalition. Einer Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP erteilten die Liberalen eine Absage.

Obwohl die Wähler ihn deutlich abgestraft haben, will NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) zunächst weitermachen. „Ich werde mich dieser Verantwortung stellen, sowohl als Ministerpräsident wie als Landesvorsitzender“, sagte er vor einer Sitzung der Parteispitze in Berlin. Er sprach sich darum für eine große Koalition in NRW aus. „Nordrhein-Westfalen braucht eine stabile Regierung“, sagte Rüttgers. Dabei verwies er auch auf die „krisenhafte Situation“ am Finanzmarkt.

Auch in der Bundes-CDU wird der Ruf nach Bildung einer großen Koalition in Düsseldorf laut. „Wir brauchen eine solide Regierung“, sagte Saarlands Ministerpräsident Peter Müller am Montag in Berlin. Auch Thüringens Regierungschefin Christine Lieberknecht und Junge-Union-Chef Philipp Mißfelder plädierte für eine Koalition aus CDU und SPD. CSU-Chef Horst Seehofer sagte in München: „Ich sehe überhaupt keine andere Möglichkeit als eine große Koalition.“

SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft hält indes an ihrem Führungsanspruch fest. „Die Ergebnisse liegen vor“, sagte sie am Montag im ARD-Morgenmagazin. „Es war für uns völlig klar, dass wir die ersten Gespräche mit den Grünen führen. Das werden wir auch tun. Alles weitere obliegt heute den Gremien der SPD.“ Zu Gerüchten, wonach die SPD einen Abgeordneten der Linkspartei ins SPD-Lager herüber ziehen wolle, um so eine Mehrheit zu haben, sagte Kraft: „Es gibt jetzt viele Spekulationen. Jetzt muss man erst mal sehen, wie es weitergeht. Man muss jetzt die Gespräche führen. Das wird sicher ein paar Tage dauern. Wir sind zuversichtlich. Wir haben den Auftrag die Regierung zu bilden.“

Auch SPD-Chef Siegmar Gabriel unterstrich den Anspruch seiner Partei, mit Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen künftig die Ministerpräsidentin zu stellen. „Das Ergebnis muss dazu führen, dass Du Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen wirst“, sagte Gabriel, als er der SPD-Spitzenkandidatin in der Parteizentrale der Bundespartei in Berlin am Montag gratulierte. Bei der Koalitionsbildung will die Bundes-SPD Kraft jedoch freie Hand lassen.

Kraft schloss eine Zusammenarbeit mit der CDU nicht aus, sprach Rüttgers aber indirekt eine Führungsrolle ab. „Dieser Ministerpräsident ist so deutlich abgewählt worden – wir haben einen klaren Führungsanspruch für dieses Land“, so Kraft. Zugleich bekräftigte sie ihre seit Wochen wiederholte Position, dass sie die Linkspartei nicht für regierungsfähig hält.

Doch in genau diese Richtung drängt sie die Grünen-Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann. Sie machte in der ARD klar, dass die Grünen zuerst mit den Sozialdemokraten über ein rot-rot-grünes Bündnis sprechen wollten. „Die SPD muss klären, ob sie bereit ist, sich von der Linkspartei wählen zu lassen.“ Bei der Linkspartei müsse ausgelotet werden, ob sie überhaupt bereit sei, Verantwortung zu übernehmen. Die Aussagen der Partei im Wahlkampf und in ihrem Programm wiesen nicht darauf hin, sagte Löhrmann. Ihre Partei sei aber auch bereit, mit der FDP zu sprechen.

Doch die FDP steht nach Angaben des Landesvorsitzenden Andreas Pinkwart für eine mögliche Ampelkoalition mit SPD und Grünen nicht zur Verfügung. „Wir haben vor der Wahl gesagt, dass wir nicht bereit sind mit Parteien zu koalieren, die sich eine Option auf die Linken offen halten“, sagte Pinkwart am Montag im „Morgenmagazin“ der ARD. Sozialdemokraten und Grüne hätten hier „keine klare Kante“ gezeigt. Die Verantwortung, eine neue Regierungsmehrheit in NRW zu bilden, liege nicht bei der FDP. „Wir haben die erheblichen Verluste, die die CDU erlitten hat, nicht annähernd auffangen können“, sagte Pinkwart. „Damit sehen wir uns nicht in der Verantwortung, jetzt eine neue Regierungsmehrheit zu bilden.“

In der FDP mehren sich nach der Abwahl der schwarz-gelben Regierung die Schuldzuweisungen an die Union. An dem Wahlergebnis sei abzulesen, „dass derjenige, der unklare Botschaften sendet, weil er zu früh über Schwarz-Grün nachdenkt oder zu sehr meint, der Staat könne Privat übertünchen, bei bürgerlichen Wählern nicht ankommt“, sagte FDP-Präsidiumsmitglied Dirk Niebel am Montag in Berlin. Der Entwicklungshilfeminister fügte hinzu, die FDP habe ihr Wahlziel nicht erreicht, aber sie gehöre angesichts der leichten Zugewinne nicht zu den Verlierern. „Andere müssen sich da mehr Gedanken machen“, sagte der frühere FDP-Generalsekretär.

Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff warf Rüttgers einen unklaren Kurs im Wahlkampf vor. Während sich die FDP ganz klar zur Fortführung der bürgerlichen Koalition bekannt habe, habe sich die Union von diesem Ziel verabschiedet, sagte er dem Deutschlandradio. Rüttgers habe auf der Schlussveranstaltung die FDP nicht einmal mehr erwähnt. Zudem habe er sich zehn Tage vor der Wahl vom zentralen Motto des Landes „Privat vor Staat“ verabschiedet.