London/Hamburg. Die Konservativen triumphieren bei den Wahlen in Großbritannien. Eine junge Studentin düpiert Labour – und es gibt eine Rücktrittswelle.
Es war eine Nacht der langen Messer in London: Der Sieg der Konservativen bei den Parlamentswahlen in Großbritannien beschert dem amtierenden Premier David Cameron eine zweite Amtszeit. Sein Labour-Herausforderer Ed Miliband ging überraschend baden und tritt zurück. Aber auch die Demoskopen, die Umfrageforscher, waren große Verlierer. Denn sie hatten ein knappes Ergebnis prognostiziert, doch es kam anders. Und es gab eine schwere Schlappe für die Rechtspopulisten von der UK Independence Party Ukip: Parteichef Nigel Farage hat es nicht ins britische Parlament geschafft. Der Vorsitzende der eurokritischen Partei verlor mit 32 Prozent der Stimmen bei der Unterhauswahl in seinem Wahlkreis South Thanet an der Ostküste gegen den Kandidaten der Konservativen Partei, Craig Mackinlay (38 Prozent).
Vor der Wahl hatte der EU-Parlamentarier Farage angekündigt, vom Ukip-Parteivorsitz zurückzutreten, sollte er sein Direktmandat nicht gewinnen.
Und David Cameron wird sich nun beschwingten Mutes aufmachen zur Königin. Der alte und voraussichtlich neue Premier will noch am heutigen Mittag Queen Elizabeth II. im Buckingham-Palast besuchen. Er dürfte der Monarchin mitteilen, dass er auch die neue Regierung zu bilden gedenkt – mit ausreichender Mehrheit.
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Und mehr Symbolik geht kaum: Eine 20 Jahre alte Studentin wirft den Wahlkampfmanager der Labour Party raus. Das katastrophale Ergebnis der Arbeiterpartei um Ed Miliband ist vielleicht das überraschendste Ergebnis der Parlamentswahlen in Großbritannien. Denn alle Beobachter hatten einen engen Ausgang erwartet und sogar einen Sturz des konservativen Premiers David Cameron (Tories). Doch Ed war alles andere als knapp. Sogar das britische Pfund stieg wieder am Freitagmorgen. Cameron kann vermutlich sogar mit absoluter Mehrheit regieren.
Labour-Chef Ed Miliband sagte zerknirscht: „Dies ist offensichtlich eine sehr enttäuschende und schwierige Nacht für die Labour Party gewesen.“ Miliband tritt nach Informationen der BBC als Vorsitzender der sozialdemokratischen Labour-Partei ab. Der Fernsehsender nannte keine Quellen. Miliband hat für den Mittag eine Erklärung angekündigt.
Denn Camerons Konservative kommen nach Ergebnissen in 568 von 650 Wahlkreisen auf 269 Sitze im Unterhaus. Labour errang demnach 214 Sitze, die Scottish National Party 55 Sitze. Die Demokratischen Unionisten aus Nordirland und die Liberaldemokraten errangen je acht Sitze. Die Rechtspopulisten von Ukip müssen sich mit einem Sitz begnügen, 13 weitere Sitze gehen an kleinere Parteien.
Die BBC errechnete für die Konservativen bis zu 325 der 650 Mandate. Damit würde zwar ein Sitz zur rechnerischen Mehrheit fehlen. In der Praxis reichen aber bereits 323 Sitze aus, da die pro-irische Sinn Fein traditionell die von ihr in Nordirland gewonnen Mandate nicht einnimmt. Cameron erklärte, er wolle in den nächsten Tagen mit der Regierungsbildung beginnen.
Cameron hatte im Wahlkampf erklärt, bei einem Sieg bis zum Jahr 2017 eine Volksabstimmung über die weitere Mitgliedschaft des Landes in der Europäischen Union abzuhalten. Auch hatte er angekündigt, bis 2018/19 das Haushaltsdefizit durch Sozialkürzungen von jetzt fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf null zu senken.
Die britische Wirtschaft hat sich während seiner Regierungszeit vom tiefsten Abschwung seit Ende des Zweiten Weltkriegs erholt und ist zu einer der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der industrialisierten Welt geworden.
Auch der konservative Londoner Bürgermeister Boris Johnson zieht ins britische Unterhaus ein. Bei der Parlamentswahl gewann er das Direktmandat in seinem Wahlkreis Uxbridge. „Es ist klar, dass die Leute wollen, dass wir weitermachen“, sagte er. Die Briten hätten für ein Programm mit „gesundem wirtschaftlichen Verstand“ gestimmt, sagte Johnson, der rund 50 Prozent der Stimmen bekam.
Unterdessen wird die 20-jährige schottische Politikstudentin Mhairi Black als jüngste Abgeordnete seit 1667 in das britische Parlament einziehen. In ihrem schottischen Wahlkreis Paisley kam die Kandidatin von der Scottish National Party (SNP) auf 51 Prozent der Stimmen und nahm damit dem Labour-Spitzenpolitiker und Wahlkampfmanager der Partei, Douglas Alexander, das Direktmandat ab.
Alexander war der Schatten-Außenminister von Labour-Spitzenkandidat Ed Miliband, jetzt verliert er seinen Platz im Parlament. Bei der Wahl 2010 hatte er den Wahlkreis noch mit 60 Prozent der Stimmen geholt, fünf Jahre später waren es jetzt nur noch knapp 18 Prozent. (HA/dpa/rtr)