Schäubles Kampfansage gegen Griechenland steht: „Am 28., 24 Uhr, ist over.“ Ende des Monats schließt sich Rettungsschirm für das Land.
Brüssel. Die Nerven im Schuldenstreit mit Griechenland liegen blank. „Am 28., 24 Uhr, ist over“, stellte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Dienstag unmissverständlich fest. Zu diesem Zeitpunkt läuft das bisherige Hilfsprogramm für Griechenland aus. Deutschland und andere Euro-Länder forderten die Regierung in Athen erneut auf, bis diesen Freitag eine Verlängerung zu beantragen. Dies lehnt das Links-Rechts-Bündnis unter Ministerpräsident Alexis Tsipras strikt ab. Athen macht das bisherige Programm der Euro-Partner und des Internationalen Währungsfonds (IWF) für die Misere in Griechenland verantwortlich. Zugleich pocht Tsipras auf weitere Kredithilfen – mit dann weniger harter Auflagen.
Regierungschef Alexis Tsipras warf Schäuble in Athen vor, sich abwertend über das griechische Volk geäußert zu haben. „Es wäre besser, er würde Völker bemitleiden, die mit hängendem Kopf gehen.“ Schäuble hatte am Vortag gesagt, die Griechen täten ihm leid. Sie hätten eine Regierung gewählt, die sich unverantwortlich verhalte.
Das derzeitige Hilfsprogramm läuft Ende Februar aus
Für Griechenland läuft die Zeit ab. Nachdem sich die Finanzminister der Euro-Zone und Europas auch in der dritten Verhandlungsrunde nicht mit Griechenland geeinigt haben, steht inzwischen gar die Euro-Mitgliedschaft des Landes auf dem Spiel. An den Finanzmärkten wird die Wahrscheinlichkeit für einen Austritt Griechenlands aus dem Euro, einen Grexit, auf 50 Prozent taxiert. Gleichzeitig brechen Athen die Einnahmen weg. Im Januar verzeichnete der griechische Fiskus ein Defizit von 217 Millionen Euro. Noch vor einem Jahr machte er ein Plus von 600 Millionen Euro.
Bislang hat die griechische Regierung das von den Geldgebern gesetzte Ultimatum zurückgewiesen. Bis Freitag soll Athen entscheiden, ob das Rettungsprogramm verlängert werden soll. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Eurogruppe neue Verhandlungen mit Griechenland aufnimmt. Tsipras unterstrich, seine Regierung werde im Kampf gegen die aktuellen Reformauflagen der Gläubiger nicht zurückweichen: „Wir werden uns nicht erpressen lassen.“
Auch wenn derzeit vor allem Brüssel für Schlagzeilen sorgt, sitzt einer der wichtigsten Akteure in Frankfurt. Die Europäische Zentralbank (EZB) muss darüber befinden, ob die griechischen Banken weiter mit Notgeld versorgt werden. Deren Lage ist noch akuter als die des griechischen Staates. Viele Griechen haben aus Angst vor einem Grexit ihr Geld von den Konten abgehoben. Diese Liquiditätslücke, die immer größer wird, muss die Notenbank stopfen.
Noch vor den Euro-Finanzministern muss sich die EZB mit Griechenland befassen. Vor zwei Wochen hatte der Zentralbankrat entschieden, griechische Staatsanleihen nicht länger als Pfand für Zentralbank-Kredite zu akzeptieren. Seither sind Griechenlands Banken von Notfallkrediten der nationalen Notenbank abhängig, im Fachjargon Emergency Liquidity Assistance (ELA) genannt. Der EZB-Rat überprüft diese Hilfsmaßnahmen aber regelmäßig alle zwei Wochen und kann ein Veto dagegen einlegen. Die nächste Gelegenheit dafür wäre die heute anstehende Ratssitzung. Zumal das Thema schon allein deshalb auf die Agenda kommen dürfte, weil die griechische Zentralbank womöglich erneut mehr Spielraum für die Notfallkredite braucht. Bereits vergangene Woche musste der Rahmen dafür von 60 auf 65 Milliarden Euro erhöht werden.
Der EZB-Rat steht damit vor einer kniffligen Entscheidung. ELA-Mittel sind nur für Banken gedacht, die an sich solvent sind und denen es nur vorübergehend an Liquidität fehlt. Das steht umso mehr infrage, je näher eine Staatspleite Griechenlands oder ein Euro-Austritt rückt, denn dieses Szenario würde die Banken des Landes wohl in die Pleite treiben. Nicht einfacher wird die Lage dadurch, dass die EZB inzwischen gleichzeitig für die Bankenaufsicht über die größten griechischen Institute verantwortlich ist. In dieser Rolle muss sie die wachsenden Risiken im Blick haben, die mit den hohen Beständen griechischer Staatsanleihen in den Bankbilanzen einhergehen.
Die große Frage ist, wie konsequent die 25 Ratsmitglieder ihre Instrumente benutzen. In der fünfjährigen Geschichte der Griechenland-Krise haben sie sich immer wieder verbogen, um das Land über Wasser zu halten. Die Linie war: Solange es erklärter Wille der Euro-Länder ist, Griechenland zu stützen, leistet die EZB ihren Beitrag, soweit es das Mandat der Notenbank hergibt. Nur: Ein solcher Konsens scheint gerade in immer weitere Ferne zu rücken. Wie lange also wird die Zentralbank dem politischen Streit noch zusehen?
Zwar gilt es als ausgeschlossen, dass der EZB-Rat den Stecker zieht, noch ehe das faktische Ultimatum der Euro-Gruppe an Griechenland am Freitag ausläuft. Sollte es dann keine Einigung geben, könnte sich das Notenbank-Gremium aber gezwungen sehen, die ELA-Hilfen zu stoppen. Andere Beobachter halten den Freitagstermin für weniger bindend, schließlich läuft das derzeitige Hilfsprogramm bis Ende Februar.
Denkbar wäre auch, dass der EZB-Rat Griechenland zwar erst einmal weiter finanziert, aber ein faktisches Ultimatum stellt. So hatte die Notenbank vor zwei Jahren Zypern damit gedroht, die ELA-Kredite für die dortigen Banken zu stoppen, wenn sich das Land nicht binnen weniger Tage mit den Euro-Ländern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) auf ein Hilfsprogramm einige. Eine ähnliche Frist könne man Griechenland setzen.
Allerdings steht EZB-Präsident Mario Draghi nicht im Ruf, solche Entscheidungen im Alleingang zu treffen. Schließlich ist es für die Notenbank nicht gerade eine erquickliche Rolle, ein Land aus der Währungsunion zu befördern – dies würde man wohl im Falle eines Falles gern der Politik überlassen. Ein Ultimatum wird es daher möglicherweise nur geben, wenn die Regierungen der Euro-Länder bereit sind, Griechenland im Falle eines Falles fallen zu lassen. Ob man schon so weit ist, bleibt fraglich. Schließlich hätte ein Grexit für den Rest der Währungsunion deutlich gravierendere Folgen als die Pleite Zyperns 2013. Und anders als im Fall des damals noch nicht gestützten Inselstaats steht auch ein dreistelliger Milliardenbetrag an Krediten auf dem Spiel. Dazu kommen die griechischen Anleihen in den Büchern der EZB sowie die Verbindlichkeiten der griechischen Zentralbank gegenüber dem Euro-System, die sich bereits Ende 2014 auf 55 Milliarden Euro summierten.
Und so wird die eigentliche Entscheidung wohl doch in Brüssel getroffen. Hier existiert zwar eine Frist, die an diesem Freitag ausläuft. Doch die Geschichte Europas ist gespickt mit verstrichenen Ultimaten. Und so ist die harte Grenze, bis zu der eine Lösung erzielt werden muss, erst dann erreicht, wenn Athen seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Im Klartext: Der Staatsbankrott droht. Denn das Geld dürfte auch nach dem Ende des laufenden Hilfsprogramms am 28. Februar noch einige Zeit reichen. Dies ist nach Ansicht der Experten spätestens im März erreicht, wenn das Land Milliarden an den IWF zurückzahlen muss.