Die neuen Regierungspolitiker aus Griechenland setzen auch modisch völlig andere Akzente
Viele Griechen haben das beklemmende Gefühl, von hartköpfigen Deutschen regiert zu werden, die ihnen den – sagen wir mal, mediterranen – Politikstil nicht so recht gönnen. Es mag daher ein wenig unfair sein, darauf hinzuweisen, dass Griechenland tatsächlich einmal recht schöpferisch von Deutschen regiert wurde. Nämlich 1832 bis 1862 von König Otto I., einem Bayern, und seiner hochbegabten Frau Amalie von Oldenburg. Unter anderem prägte sie in emanzipatorischer Weise die Mode der griechischen Frauen.
Mit raffiniertem weiblichem Touch soll Amalie aber auch die bemerkenswerte Uniform der Präsidialgarde Evzonen mit ihren weißen Faltenröcken und den Schnabelschuhen mit dicken Bommeln entworfen haben. Am Ende taten die Griechen trotzdem das, was sie immer tun – sie stritten sich wie die Kesselflicker und warfen die fremden Herrscher ab. Seitdem sind sie modisch etwas führungslos. Jedenfalls suchen die neuen Athener Politiker einerseits zu vermeiden, Faltenröcke und Bommelschuhe zu tragen, andererseits aber dem unzumutbaren europäischen Modediktat zu entkommen, das beispielsweise vorsieht, bei öffentlichen Regierungsterminen das Hemd in die Hose zu stecken. Bei seinem Besuch in der Londoner Downing Street, wo man bereits angesichts eines schiefen Einstecktuches leicht zu Anfällen neigt, kam Finanzminister Varoufakis, ägäisblaues Hemd aus der Hose, verwegen gewandet daher, als sei er aus einem brennenden Haus gestürzt und habe gegriffen, was herumlag. Die riesige Lederjacke hätte Vitali Klitschko gut gepasst, die wuchtigen Treter einem Bergführer.
Die auch von Premier Tsipras geteilte Abneigung gegen Krawatten mag daher rühren, dass man in Athen fürchtet, an selbiger gepackt zu werden. Traditionalisten mögen auf die Beharrungskräfte politischer Systeme vertrauen und fest an Joschka Fischer denken. Angetreten ist er als Straßenkämpfer in Turnschuhen. Heute ist er Unternehmensberater im Zweireiher. Das ist irgendwie tröstlich.