Finanzministerium will Devisen für sieben Milliarden Dollar auf den Markt werfen. Die Turbulenzen um den Rubel sorgen dafür, dass Privatleute und Unternehmen Euro und Dollar horten.
Moskau/Berlin. Kritiker zögern nicht, von einem Finanz-Krieg zu sprechen. Der Rubel-Absturz belastet die russische Wirtschaft und die Präsidentschaft von Wladimir Putin erheblich. Gerät der Garant für den Wohlstand vieler Russen nun ins Wanken? Da pasts es, dass Putin an diesem Donnerstag mal wieder eine dieser inszenierten Pressekonferenzen auch für westliche Journalisten gibt. 1200 Medienleute haben sich angesagt. Beim letzten Mal dauerte die Putin-Show vier Stunden.
Der drohende Kollaps der russischen Wirtschaft alarmiert auch Deutschland und Europa. „Die Lage ist tatsächlich ernst“, sagte ein Sprecher von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Allerdings bestritt die Bundesregierung, dass vor allem die vom Westen verhängten Wirtschaftssanktionen zu der Krise geführt hätten. Auch ein Vertreter der EU-Kommission betonte, „niemand hat ein Interesse daran, dass Russland in eine tiefe Depression stürzt.“ Deshalb müssten alle Möglichkeiten genutzt würden, um in der Ukraine-Krise mit Russland ins Gespräch zu kommen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat die EU-Sanktionen gegen Russland verteidigt. Es bestehe ein fast vollständiger Konsens in Deutschland, dass sich der Ukraine-Konflikt nicht mit militärischen Mitteln lösen lasse, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch in Berlin. Man könne aber auch nicht untätig sein. „Infolgedessen bleibt nur der bittere Weg von Sanktionen.“ Zugleich betonte Schäuble das Interesse an einer Zusammenarbeit: „Die Hand bleibt ausgestreckt.“
Zur Wirtschaftskrise in Russland äußerte sich Schäuble betont zurückhaltend. Er sagte nur, wenn Russland in Schwierigkeiten sei, müsse man sich fragen, was das für die Stabilität der Finanzmärkte bedeute.
Die Regierung in Moskau stemmte sich derweil gegen den Verfall des Rubel und kündigte an, zur Stützung der Währung Devisenreserven zu verkaufen. Ministerpräsident Dmitri Medwedew hält trotz der Rubelschwäche eine starke Regulierung des Devisenmarktes nicht für nötig. Dortige Aktionen sollten auf Marktmechanismen beruhen, sagte der Regierungschef laut Agentur Interfax.
Einnahmen aus den Öl-Exporten brechen weg
Die russische Wirtschaft leidet unter den westlichen Sanktionen wegen der Rolle der Moskauer Regierung in der Ukraine-Krise. Außerdem brechen dem Land die Einnahmen aus den Erdöl-Exporten weg. Der Ölpreis fiel aufgrund des weltweiten Überangebots seit Sommer um etwa die Hälfte. Die Zentralbank des Landes hat sich jüngst mit einer drastischen Zinserhöhung gegen die Turbulenzen und eine massive Kapitalflucht gestemmt.
Das Finanzministerium in Moskau kündigte an, Russland sei bereit, Devisen im Wert von sieben Milliarden Dollar auf den Markt zu werfen. Der Verkauf könne schrittweise über die Bühne gehen. Diese Erklärung verlieh dem Rubel etwas Auftrieb. Der Dollar notierte am frühen Nachmittag rund drei Prozent schwächer bei rund 66 Rubel. Am Dienstag hatte der Greenback zeitweise ein Rekordhoch von knapp 80 Rubel erreicht.
Medwedew: Rubel-Verfall ist nicht mehr angenehm
Medwedew bezeichnete den Kurs als nicht mehr angenehm für die russische Wirtschaft. Die Lage auf den Devisenmarkt hänge eng mit dem Verhalten der russischen Exporteure zusammen. Einen Grund für den jüngsten Anstieg des Rubels sehen Experten darin, dass Exportunternehmen Dollar verkauft haben, um ihre monatlich fälligen Steuern zu zahlen. Der Regierungschef appellierte an die Exporteure, sich „verantwortlich“ zu verhalten und keine Devisen zu horten.
„Die gute Nachricht von heute ist, dass der Rubel zumindest nicht weiter fällt“, sagte Analyst Neil Shearing von Capital Economics. Wenn es bei den Ölpreisen aber weiter deutlich bergab gehen sollte, dürfte die Zentralbank nicht in der Lage sein, den Rubel-Verfall aufzuhalten. Dann dürften Kapitalkontrollen näher rücken, um die Flucht von Investoren-Geldern zu stoppen. Dabei würde der Staat eingreifen und verhindern, dass Rubel beliebig in Devisen wie Euro und Dollar getauscht werden können.
Ökonomen sprechen bereits von Finanz-Krieg
Die richtungsweisende Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee kostete am Mittwoch zeitweise 59,10 Dollar je Barrel (159 Liter) und lag damit nur etwa einen halben Dollar über ihrem Fünfeinhalb-Jahres-Tief vom Vortag.
Ökonomen sehen den Ukraine-Konflikt als Knackpunkt für Russlands Krise. „Nur dann, wenn die Sanktionen wieder aufgehoben werden und ausländisches Kapital und Kapital von russischen Investoren wieder ins Land reinkommt, wird sich die Lage wieder stabilisieren können“, sagte der Präsident des Berliner DIW-Instituts, Marcel Fratzscher. Er sieht derzeit die Wahrscheinlichkeit einer Staatspleite Russlands bei rund 33 Prozent.
Nach Ansicht des Chefvolkswirts von Degussa Goldhandel, Thorsten Polleit, schnüren die von den USA und Europa eingeleiteten Sanktionen der russischen Wirtschaft zunehmend die Luft ab. Er verweist darauf, dass die USA und ihre Verbündeten die russischen Banken und Firmen von den internationalen Aktienmärkten de facto abgeschnitten haben. „Eine Reihe von russischen Unternehmen erhält keine langfristigen Kredite mehr“, sagte Polleit, der von einem „Finanzkrieg“ gegen Russland spricht.