Kanzlerin Merkel spricht erstmals von Einmarsch. Präsident Putin nennt Ukrainer Faschisten – und beginnt auch im Internet einen Feldzug.

Berlin/Moskau/Kiew. Angesichts der Entwicklung im Osten der Ukraine hat die Bundesregierung Russland nun erstmals eine „militärische Intervention“ vorgeworfen. Regierungssprecher Steffen Seibert verwies darauf, dass sich die Hinweise auf die Präsenz von Russen und die Verwendung von russischen Waffen verdichtet hätten. „Das alles zusammen addiert sich zu einer militärischen Intervention.“ Zugleich bekräftigte Seibert die Ankündigung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), dass der EU-Sondergipfel in Brüssel über weitere Sanktionen gegen Russland beraten werde.

Von einer militärischen Intervention Russlands hatte am Donnerstag bereits der ukrainische Präsident Petro Poroschenko gesprochen. Die Nato hat den Begriff bisher nicht verwendet und stattdessen von einem Einfall (Incursion) gesprochen.

Deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine schloss die Bundesregierung abermals aus. „Waffenlieferungen sind überhaupt nichts, woran die Bundesregierung denkt“, sagte Seibert. Der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin hatte den Westen um Waffenlieferungen gebeten.

Gleichzeitig hat Kremlchef Wladimir Putin die Regierungseinheiten der Ukraine scharf kritisiert. „Ihre Taktik erinnert mich an die der faschistischen deutschen Truppen in der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg. Großstädte wurden eingekesselt und durch gezielten Beschuss zerstört, samt Einwohner“, sagte Putin der Agentur Interfax zufolge.

Hingegen könne er das Verhalten der Separatisten in der Ukraine verstehen. „Der Sinn ihrer militärisch-humanitären Operation besteht darin, die ukrainische Artillerie und die Mehrfachraketenwerfer von den Großstädten zu verdrängen, damit sie nicht mehr friedliche Zivilisten töten können“, betonte Putin.

Lesen Sie hier den Leitartikel von Thomas Frankenfeld

Im Osten der Ukraine ist die Zahl der zivilen Opfer dramatisch angestiegen. Seit Beginn der Kämpfe im April sind nach Angaben der Vereinten Nationen mindestens 2593 Menschen ums Leben gekommen. Damit habe sich die Zahl der Toten seit Mitte Juli verdoppelt, heißt es in einem Bericht des Uno-Hochkommissariats für Menschenrechte, der am Freitag in Genf vorgestellt wurde.

Darin wirft die Uno vor allem den Separatisten schwere Menschenrechtsverletzungen vor. In den von ihnen kontrollierten Städten herrsche eine regelrechte Terrorherrschaft, sagte der zuständige Regionaldirektor der Organisation, Gianni Magazzeni. Einheiten der Separatisten hätten Bewohner wiederholt an der Flucht gehindert und auf fliehende Zivilisten geschossen. Die Uno wirft den Einheiten außerdem Morde, Folter und Verschleppungen vor.

Kanada und Russland haben ihre unterschiedlichen Positionen im Ukraine-Konflikt nun auch per Internet-Kurznachrichtendienst Twitter klar gemacht. Nachdem in der Ukraine gefangen genommene russische Soldaten behauptet hatten, sie hätten irrtümlich die Grenze überquert, postete die kanadische Vertretung bei der Nato eine Karte Osteuropas auf Twitter.

Russland in rot mit der Aufschrift „Russia“ und die Ukraine – mit der Krim – in blau mit der Aufschrift „Not Russia“ (dt: „Nicht Russland“). Dazu der Kommentar: „Geografie kann schwierig sein. Hier ein Ratgeber für russische Soldaten, die sich immer wieder verirren und „zufällig“ ukrainisches Territorium betreten.“

Der Tweet wurde zu einem Internet-Hit. Doch als Antwort postete die russische Nato-Delegation eine Karte, die die Krim als Teil Russlands zeigt. „Wir helfen unseren kanadischen Kollegen, zu der aktuellen Geografie in Europa aufzuschließen.“