Die Krise eskaliert weiter: Poroschenko, die USA und die Nato werfen Moskau vor, mehr als tausend russische Soldaten in die Ukraine geschickt zu haben. Die USA schickt nun Truppen. Merkel fordert noch härtere Sanktionen.
Kiew/Moskau/Brüssel. In der Ostukraine eskaliert die Lage erneut. Poroschenko wirft Moskau eine Invasion vor. Und auch die Nato spricht von tausenden russischen Soldaten, auf ukrainischem Boden. Der Western reagierte darauf mit erneuten Sanktionsforderungen. Die aktuellen Ereignisse im Live-Ticker.
+++ Obama und Merkel sprachen über Konflikt +++
22.25 Uhr: Obama hat erneut mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über die Krise in der Ukraine gesprochen. Russland habe wiederholt und absichtlich die ukrainische Souveränität verletzt. „Dieses anhaltende Eindringen in die Ukraine bringt weitere Kosten und Konsequenzen für Russland“, erklärte der Präsident.
+++ Obama macht Russland für Gewalt in Ukraine verantwortlich +++
22.24 Uhr: US-Präsident Barack Obama gibt Russland die Schuld an der Gewalt im Osten der Ukraine. Er werde sich im September mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko im Weißen Haus treffen, sagte Obama in Washington.
+++Ukraine beschließt Wiedereinführung der Wehrpflicht+++
21.20 Uhr: Die Regierung in Kiew will die erst kürzlich abgeschaffte Wehrpflicht wieder einführen. „Der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat hat entschieden, die im Herbst wieder mit den Rekrutierungen zu beginnen“, sagte der stellvertretende Sekretär des Rats, Michail Kowal, am Donnerstag. Zuvor war der Sicherheitsrat zu einer Krisensitzung mit Präsident Petro Poroschenko zusammengekommen, dem das Gremium unterstellt ist.
Die Ukraine hatte im Oktober 2013 den eigentlich letzten Wehrdienst-Jahrgang für eine Dauer von einem Jahr einberufen. In sowjetischer Tradition wurden bis dahin zweimal im Jahr Männer im Alter von 18 bis 25 Jahren zum Dienst an der Waffe gerufen. 2014 war eigentlich als Übergangsjahr zur Berufsarmee geplant. Dann kam aber der politische Umbruch und die schwere Krise im Osten des Landes, wo sich die Streitkräfte seit Monaten schwere Gefechte mit mutmaßlich von Russland unterstützten Separatisten liefern.
+++UN-Sicherheitsrat ruft Dringlichkeitssitzung ein+++
20.25 Uhr: Russische Truppen sollen nach Nato-Angaben in der Ukraine erstmals offen gegen die Regierungsarmee kämpfen. Mindestens 1000 russische Soldaten befänden auf dem Territorium des Nachbarlands, erklärte die Nato am Donnerstag. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko warf Moskau eine Invasion vor. Russland wies das zurück. In New York rief der UN-Sicherheitsrat eine Dringlichkeitssitzung ein.
Nach Angaben des Nationalen Sicherheitsrats der Ukraine drangen zwei russische Panzerkolonnen über den Grenzübergang Weselo-Wosnesenka ein, der zuvor aus Russland mit Raketen beschossen worden war. Sprecher Andrej Lyssenko sagte, die nicht ausreichend bewaffneten ukrainischen Grenzposten hätten die Panzer durchgelassen und seien geflohen.
„Die Hand, die im Hintergrund wirkte, wird nun immer mehr sichtbar“, sagte der Nato-Brigadegeneral Nico Tak in Brüssel. Ziel Moskaus sei es, eine Niederlage der Separatisten im Osten abzuwenden und den Konflikt „einzufrieren“, um die Ukraine zu destabilisieren.
Die Schätzung von 1000 russischen Soldaten in der Ukraine sei eher konservativ, sagte Tak. Weitere 20 000 seien unmittelbar hinter der russischen Grenze. Die Nato legte Satellitenaufnahmen vor, die belegen sollen, dass russische Soldaten in der Ukraine operieren. Nach Nato-Angaben kam es zu „Kontakt“ mit ukrainischen Soldaten und zu Verletzten.
Dagegen sagt der russische Botschafter bei der EU, Wladimir Tschischow, die Nato habe noch nicht einen Beweis dafür vorgelegt, dass russische Truppen in der Ukraine kämpften. Die einzigen russischen Soldaten im Nachbarland seien jene zehn Fallschirmspringer gewesen, die Anfang der Woche von ukrainischen Soldaten gefasst worden waren. Dazu hatte Moskau erklärt, sie seien versehentlich auf ukrainisches Territorium geraten.
Das russische Verteidigungsministerium bestritt nicht direkt, dass es Soldaten in der Ukraine hat. Doch erklärte es, die Liste der russischen Einheiten, die angeblich dort seien, stehe in keiner Relation zur Realität.
Der britische UN-Botschafter Mark Lyall Grant sagte in New York: „Es ist ziemlich klar, dass jetzt reguläre russische Truppen in der Ukraine sind.“
Poroschenko sagte eine Auslandsreise ab und berief eine Dringlichkeitssitzung des Nationalen Sicherheitsrats ein. „Russische Kräfte sind in die Ukraine eingedrungen“, erklärte auch er.
Angesichts der wachsenden Ängste, Russland könne den Krieg eskalieren und damit weitere westliche Sanktionen provozieren, rutschten die russischen Märkte ab. Der MICEX-Index verlor fast zwei Prozent. Die große russische Banken VTB und Sberbank verloren mehr als vier Prozent.
Die prorussischen Rebellen übernahmen nach Beobachtung eines Journalisten der Nachrichtenagentur AP die Kontrolle über die strategisch wichtige Stadt Nowoasowsk an der Schwarzmeerküste. Nach Angaben der ukrainischen Nationalgarde wurden danach große Mengen Rüstungsgüter aus Russland nach Novoasowsk gebracht.
Beobachter spekulierten, dass die Aufständischen einen Korridor von Russland zu der von Moskau annektierten Halbinsel Krim schaffen wollen. In der nur 30 Kilometer westlich gelegenen Großstadt Mariupol mit 450 000 Einwohnern wurden die Verteidigungslinien verstärkt.
In Donezk, der größten von den Rebellen gehaltenen Stadt, starben in der Nacht zu Donnerstag durch Artilleriebeschuss elf Menschen, wie die Stadtverwaltung mitteilte. Insgesamt haben die Kämpfe in der Ostukraine nach Schätzungen der Vereinten Nationen seit April mindestens 2000 Zivilisten das Leben gekostet.
+++Russland bestreitet Invasion der Ukraine+++
19.50 Uhr: Russland bestreitet einen militärischen Einmarsch in die Ukraine. Der Botschafter bei der Europäischen Union, Wladimir Tschischow, sagte am Donnerstag dem britischen Sender BBC: „Die Nato hat niemals einen einzigen Beweis vorgelegt“, dass russische Soldaten in der Ukraine kämpften.
Die einzigen russischen Soldaten im Nachbarland seien jene zehn Fallschirmspringer gewesen, die Anfang der Woche von ukrainischen Soldaten gefasst worden waren. Dazu hatte Moskau erklärt, sie seien versehentlich auf ukrainisches Territorium geraten.
Das russische Verteidigungsministerium bestritt nicht direkt, dass es Soldaten in der Ukraine hat. Doch erklärte es, die Liste der russischen Einheiten, die angeblich dort seien, stehe in keiner Relation zur Realität.
Die Regierung in Kiew und auch die Nato hatten zuvor den russischen Einmarsch gemeldet. Nach Nato-Erkenntnissen befinden sich mindestens 1000 russische Soldaten im äußersten Südosten der Ukraine.
+++US-Armee schickt Panzer und hunderte Soldaten nach Osteuropa+++
19.30 Uhr: Vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts schickt die US-Armee im Oktober Kampfpanzer und etwa 600 Soldaten zu einer Militärübung nach Polen und in die Staaten des Baltikums. An dem Manöver am östlichen Rand des Nato-Bündnisgebiets sollen auch Streitkräfte der anderen Mitgliedstaaten teilnehmen, wie das US-Verteidigungsministerium am Donnerstag mitteilte.
Die Übungen seien für kleine Armeeverbände und die Schulung von Führungskräften gedacht, sagte eine Pentagon-Sprecherin. Ihr zufolge gibt es nun einen Truppenaustausch im Rahmen einer „dreimonatigen Rotation“. Die Soldaten würden andere einer Fallschirmspringereinheit ersetzen, die bisher vor Ort sei. Anders als diese seien die neu entsandten Einheiten nun mit M-1-Abrams-Panzern und Infanterie-Kampffahrzeugen ausgerüstet.
Sowohl Kiew als auch westliche Staaten und die Nato haben Russland wiederholt vorgeworfen, die Separatisten in der Ostukraine mit Kämpfern und Waffen zu unterstützen. Inzwischen beschuldigen sie Moskau teilweise sogar offen einer „direkten Invasion“ mit eigenen Soldaten. Vor dem Hintergrund des russischen Vorgehens in der Ukraine-Krise wächst auch bei den östlichen Nato-Bündnisstaaten die Sorge, in einen bewaffneten Konflikt hineingezogen zu werden.
+++Putin-Berater - Über 100 russische Soldaten in Ukraine getötet+++
18.55 Uhr: Mehr als 100 russische Soldaten sind Beratern von Präsident Wladimir Putin zufolge vor zwei Wochen bei einer Schlacht in der Ostukraine getötet worden. Zwei Mitglieder des von Putin eingesetzten Menschenrechtsrates, Ella Poljakowa und Sergej Kriwenko, beriefen sich am Donnerstag auf Augenzeugenberichte und Verwandte der Opfer. Am 13. August sei ein mit Munition beladener Konvoi nahe Snischnje in der Provinz Donezk von einer Salve „Grad“-Raketen getroffen worden, erklärten sie. „Mehr als 100 Menschen starben“, sagte Kriwenko per Telefon. Poljakowa sagte, ihr sei die selbe Zahl von getöteten russischen Soldaten zugetragen worden. Zudem habe es etwa 300 Verletzte gegeben.
+++Merkel: EU-Gipfel berät über neue Sanktionen gegen Russland+++
18.30 Uhr: Die Europäische Union wird bei ihrem Sondergipfel in Brüssel am Sonnabend über eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland beraten. Dies kündigte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach der neuen Zuspitzung im Osten der Ukraine am Donnerstagabend in Berlin an. „Wir wollen diplomatische Lösungen, wir werden da auch nicht nachlassen“, sagte Merkel. „Aber wir müssen feststellen, dass sich die Dinge in den letzten Tagen wieder erschwert und verschlechtert haben.“
Die Kanzlerin verwies auf Vereinbarungen innerhalb der EU, wonach bei einer weiteren Eskalation in der Ukraine über weitere Strafmaßnahmen gesprochen werden müsse. Jetzt gebe es Berichte, wonach es eine „verstärkte Präsenz auch russischer Soldaten gibt und auch neue Unruhen und neue Vormärsche“. Deshalb würden sich die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Länder neu mit der Frage von Sanktionen beschäftigen. „Das Thema wird auf der Tagesordnung des Rates sein.“
Bei dem EU-Sondergipfel geht es eigentlich um die Zusammensetzung der künftigen EU-Kommission unter dem neuen Präsidenten Jean-Claude Juncker. Merkel äußerte sich am Rande einer Konferenz mit den Regierungschefs von acht südosteuropäischen Staaten.
+++Poroschenko warnt vor Panik+++
17.20 Uhr: Nach dem Eindringen russischer Soldaten in die Ukraine hat deren Präsident Petro Poroschenko seine Landsleute zur Ruhe gemahnt. „Destabilisierung der Lage und Panik, das sind genauso wichtige Waffen des Feinds wie Panzer“, sagte Poroschenko nach einem Bericht der Agentur Interfax auf einer Dringlichkeitssitzung des Nationalen Sicherheitsrats am Donnerstag.
Zuvor hatte er Russland eine Invasion im Osten der Ukraine vorgeworfen. Auch die Nato geht davon aus, dass mindestens 1000 russische Soldaten auf ukrainischen Territorium sind und dort auch schon auf ukrainische Truppen gestoßen sind.
+++Nato: Mehr als 1000 russische Soldaten in der Ukraine+++
16.30 Uhr: In der Ukraine sind nach Angaben der Nato „deutlich mehr“ als tausend russische Soldaten aktiv. „Die russischen Soldaten unterstützen die Separatisten, kämpfen mit ihnen, kämpfen unter ihnen“, sagte ein ranghoher Nato-Militärvertreter am Donnerstag im belgischen Mons. Dabei sei die Zahl von „deutlich mehr als tausend noch ziemlich konservativ geschätzt“.
Zudem habe die Lieferung von Waffen und Ausrüstung aus Russland in Menge und Qualität zugenommen, fügte der Nato-Vertreter hinzu. „Russland versucht, eine Niederlage der Separatisten zu verhindern.“
Insgesamt wurden in dem Konflikt zwischen ukrainischen Truppen und prorussischen Rebellen inzwischen mehr als 2200 Menschen getötet. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte zuletzt am Dienstag Vorwürfe Kiews und des Westens zurückgewiesen, die Aufständischen mit Waffen und Soldaten gezielt zu unterstützen.
+++Poroschenko wirft Russland Einmarsch vor+++
14.30 Uhr: Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat Russland unterdessen einen Militäreinmarsch in sein Land vorgeworfen. „Ich habe einen Besuch in der Türkei abgesagt, (...) da eine Intervention russischer Streitkräfte in der Ukraine stattfand“, erklärte Poroschenko am Donnerstag in Kiew. „Der Platz des Präsidenten ist heute in Kiew.“ Die Lage im Raum Donezk, darunter Amwrosijewka und Starobeschewo, habe sich „extrem verschärft“, betonte er.
Der prowestliche Staatschef forderte mit Nachdruck Sondersitzungen des Weltsicherheitsrats und des EU-Rates. „Die Welt muss sich zur heftigen Verschärfung der Lage in der Ukraine äußern“, forderte er. Poroschenko berief den Sicherheitsrat des Landes zu Beratungen ein.
Das ukrainische Militär hatte zuvor mitgeteilt, die Kontrolle über eine Grenzregion im Südosten weitgehend verloren zu haben, und Einheiten aus dem Nachbarland dafür verantwortlich gemacht. „Gestern gingen die Stadt Nowoasowsk sowie eine Reihe von Ortschaften der Kreise Nowoasowsk, Starobeschewo und Amwrosijewka unter die Kontrolle russischer Militärs“, erklärte der nationale Sicherheitsrat in Kiew.
Moskau äußerte sich zunächst nicht zu den schweren Vorwürfen. Russland hatte wiederholt zurückgewiesen, in der Ukraine militärisch aktiv zu sein. In der krisengeschüttelten Ex-Sowjetrepublik kämpfen Regierungseinheiten gegen prorussische Separatisten.
In der Großstadt Donezk sind bei den schwersten Gefechten seit Tagen mindestens 16 Zivilisten getötet worden. Mehr als 20 Menschen wurden bei den Kämpfen zwischen Armee und prorussischen Aufständischen verletzt, wie die Stadtverwaltung am Donnerstag mitteilte. Durch heftigen Artilleriebeschuss seien zahlreiche Wohnhäuser zerstört und die Wasserversorgung beschädigt worden.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko erörterte in einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Lage. Der prowestliche Staatschef habe dabei ein baldiges Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe unter dem Patronat der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) angekündigt, teilte Poroschenkos Pressestelle in Kiew mit. Die Verhandlungen finden vermutlich in der weißrussischen Hauptstadt Minsk statt.