„Janukowitsch muss weg!“ Doch der prominente Oppositionelle in der Ukraine wurde auch ausgepfiffen. Vitali Klitschko stemmt sich gegen militante Proteste – noch.

Kiew/Berlin. Im erbitterten Machtkampf in der Ukraine hat Präsident Viktor Janukowitsch der Opposition um Box-Champion Vitali Klitschko weitere Zugeständnisse in Aussicht gestellt. Der prorussische Staatschef kündigte für kommenden Dienstag eine Regierungsumbildung an sowie eine Änderung umstrittener Gesetze, die die Versammlungs- und Pressefreiheit einschränken. Vorgezogene Neuwahlen – eine Kernforderung der Opposition – erwähnte Janukowitsch in seinen Ankündigungen am Freitag nicht. Seine politischen Gegner zeigten sich unbeeindruckt.

Vitali Klitschko wies die Zugeständnisse als unzureichend zurück. „Janukowitsch muss gehen“, sagte er in Kiew. Zudem forderte der frühere Boxweltmeister die Einschaltung internationaler Vermittler zur Lösung des Konflikts. Der Präsident versuche, sich „um den Preis von Blut und Destabilisierung an der Macht zu halten“, sagte Klitschko.

Die Ukraine steuert immer stärker auf eine Ausweitung des blutigen Konflikts zu: Demonstranten stürmten am Freitag Regierungsgebäude in sechs westlichen Regionen und besetzten das Landwirtschaftsministerium in Kiew. Auch die Barrikaden in der Hauptstadt wurden verstärkt.

Klitschko musste sich derweil Pfiffen von Tausenden enttäuschten Regierungsgegnern auf dem Unabhängigkeitsplatz anhören, weil er sagte: „Ein Machtwechsel ohne Blutvergießen ist immer noch möglich“. Offenbar wollen viele sich jetzt militanter gegen die Regierung auflehnen. In der Hauptstadt rückten die Demonstranten ihre Festungen bis auf Sichtweite zum Präsidentenpalast vor.

In Lemberg (Lwiw) hielten 200 Demonstranten das Gebäude der Regionalverwaltung besetzt, nachdem sie Gouverneur Oleg Salo gezwungen hatten, seinen Rücktritt zu unterschreiben. In Tscherniwzi an der Grenze zu Rumänien griffen Regierungsgegner den Sitz von Gouverneur und Parlament an und lieferten sich stundenlange Handgemenge, der Präsident des Regionalparlaments wurde am Kopf verletzt, schließlich überließen Sicherheitskräfte und Politiker das Gebäude den Angreifern. Auch in Luzk, Riwne, Ternopil und Chmelnizki wurden Verwaltungsgebäude besetzt.

In Lemberg erklärte der regionale Verband der Partei der Regionen von Präsident Janukowitsch, er werde die Partei verlassen, weil die Machthaber in Kiew für den Tod friedlicher Demonstranten verantwortlich sei. Der Regionalverband verbündete sich mit der Opposition und forderte vorgezogene Parlaments- und Präsidentschaftswahlen.

International wuchs daher die Befürchtung, die Konfrontation in der Ukraine könne in ein großes Blutvergießen münden. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bestellte den ukrainischen Botschafter ins Auswärtige Amt. Steinmeier wolle dem Botschafter klarmachen, dass es „keine Gewaltanwendung“ geben dürfe und dass die im Schnellverfahren beschlossenen Gesetzesänderungen zur Versammlungsfreiheit überprüft werden müssten, sagte ein Ministeriumssprecher. Die Bundesregierung verurteile die „empörende Gewalt“ in Kiew, sagte ihr Sprecher Steffen Seibert.

Die Auseinandersetzungen in Kiew sind seit vergangenem Wochenende eskaliert: Bei den bisher heftigsten Zusammenstößen waren nach Angaben der Opposition fünf Tote und 1700 Verletzte zu beklagen. Ein weithin bekannter Aktivist der Opposition, der 35-jährige Dmitro Bulatow, wurde von seiner Frau am Donnerstag als vermisst gemeldet. Vor seinem mysteriösen Verschwinden hatte Bulatow gesagt, er sei in der Sowjetunion groß geworden, „und ich möchte nicht, dass meine Kinder so leben“.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz schlug eine internationale Konferenz zur Ukraine vor. „Wir müssen der Ukraine zunächst die Chance geben, den Dialog selbst zu führen. Lässt sich dadurch die Lage nicht beruhigen, dann wäre ein internationaler Dialog sicherlich hilfreich“, sagte der SPD-Politiker der „Bild“-Zeitung (Sonnabend-Ausgabe).