Der ägyptische Präsident will schon am Abend nach Kairo zurückkehren. Roth verlangt von Merkel energische Worte gegenüber Mursi.
Kairo. Der ägyptische Präsident Mohammed Mursi wird seinen Besuch in Deutschland verkürzen. Der Präsident werde am Mittwochabend wieder nach Kairo fliegen und nicht in Berlin übernachten, sagte eine Sprecherin der ägyptischen Botschaft am Mittwoch in Berlin. Damit fällt die geplante Begegnung zwischen Mursi und Bundespräsident Joachim Gauck am Donnerstag aus. Auch der geplante Besuch von Mursi in Frankreich werde nicht stattfinden, hieß es weiter. Dagegen bleiben das Treffen mit Außenminister Guido Westerwelle (FDP), der Besuch im Bundestag und die Veranstaltung bei der Körber-Stiftung auf dem Programm.
Für Mursi ist es der erste Besuch in Deutschland und auch das erste persönliche Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Am Mittag wird der Präsident mit militärischen Ehren im Kanzleramt empfangen. Bei den Gesprächen wird es vor allem um die innenpolitische Lage in Ägypten gehen, aber auch um den Nahost-Friedensprozess und die heikle Situation in Syrien. Im Anschluss an die Begegnung ist eine gemeinsame Pressekonferenz geplant.
Westerwelle verlangte kurz vor dem Eintreffen Mursis in Berlin, dass die demokratischen Prinzipien in dem Land geachtet werden. Wegen der schweren Ausschreitungen in seinem Heimatland solle Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dem Muslimbruder die Leviten lesen, forderten die Grünen. Derweil toben in Ägypten weiter Proteste gegen den Staatschef.
Auf die Frage, ob Deutschland für finanzielle Unterstützung Bedingungen stellen könne, sagte Westerwelle im ARD-„Morgenmagazin“: „Das tun wir. Die Transformationspartnerschaft, die wir angeboten haben, hängt klar davon ab, dass die demokratische Entwicklung in Ägypten vorwärtsgeht.“ Zugleich riet der Außenminister „im Umgang mit Ägypten zu einer strategischen Geduld. Das heißt, dass wir sagen, was wir zu kritisieren haben, aber dass wir den Gesprächsfaden nicht ausdünnen, sondern dass wir ihn festigen.“ Dialog sei die beste Möglichkeit der Einwirkung.„ Westerwelle fügte hinzu, Ägypten sei “das Schlüsselland auch dafür, dass die Umbrüche in der arabischen Welt insgesamt gelingen können„.
Er habe nach der Wahl Mursis einen “entschlossenen demokratischen Eindruck„ vom ägyptischen Präsidenten gehabt. Entscheidend sei aber “nicht das, was gesprochen wird, sondern entscheidend ist, was tatsächlich auch geschieht„.
Kundgebungen in Berlin
Unterdessen haben gleich vier Gruppierungen für Mittwoch zu Protesten aufgerufen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International veranstaltet am Kanzleramt ab 11 Uhr eine Kundgebung gegen Polizei- und Militärgewalt in Ägypten. Eine Stunde später protestieren an selber Stelle koptische Christen gegen die Verfolgung ihrer Glaubensbrüder. Und zwei weitere Gruppierungen wollen am Nachmittag Solidarität mit den Demonstranten für die ägyptische Revolution einfordern.
“Ich wünsche mir klare Worte von der deutschen Regierung und verlange, dass Deutschland zu seinen Werten wie Demokratie und Respekt vor Menschenrechten steht“, formulierte die Politologin Hoda Salah von der Freien Universität Berlin ihre Erwartungen im Vorfeld. Wegen Mursis fehlender Legitimation habe sie ohnehin kein Verständnis für den Empfang, schon gar nicht ohne “klare Kritik an der ägyptischen Politik„. Finanzielle Hilfe müssten an Bedingungen geknüpft und der Stopp von Waffenlieferungen nach Ägypten unterstützt werden, sagte sie der Nachrichtenagentur dapd.
Auch Grünen-Chefin Claudia Roth wählte mahnende Worte. “Mursi trägt als frei gewählter Präsident eine Verantwortung für alle Ägypter. Er muss sich für die Einbeziehung der Opposition, für gleiche Rechte, Gewaltlosigkeit und eine Verbesserung der sozialen Lage einsetzen„, sagte sie der “Rheinischen Post„ (Mittwochausgabe). Und genau diese Themen müsse Merkel auch knallhart ansprechen.
Verhältnis zu Israel im Blick
Im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages soll Mursi ebenfalls Rede und Antwort stehen. “Dabei interessiert uns vor allem seine Vorstellung von der weiteren Demokratie- und Rechtsstaatsentwicklung, hier insbesondere Fragen der Frauenrechte und der Religionsfreiheit„, sagte der Ausschussvorsitzende Ruprecht Polenz (CDU) der “Mitteldeutschen Zeitung„ (Online-Ausgabe). “Außenpolitisch geht es uns nicht zuletzt um Ägyptens Verhältnis zu Israel. Wir erwarten, dass der Friedensvertrag eingehalten wird und sich das Verhältnis positiv entwickelt.„
Die Lage in Ägypten bleibt gespannt. Am Dienstag protestierten wieder Tausende gegen das Staatsoberhaupt und forderten seinen Rücktritt. Angesichts anhaltender Unruhen meldete sich erstmals Militärchef Abdel Fattah el Sissi zu Wort und warnte vor einem Kollaps der staatlichen Ordnung, verteidigte aber das Demonstrationsrecht. Demonstranten und Bürgerrechtler halten Mursi vor, Polizeibrutalität zu billigen. Die UN-Menschenrechtsbeauftragte Navi Pillay forderte sofortige Ermittlungen und eine Überprüfung der Polizeitaktik.