Die Ökobilanz von Biosprit ist zweifelhaft - der Kraftstoff daher nicht unumstritten. EU-Kommission will Klimaauflagen verschärfen.
Brüssel. Grenzen für den Biosprit: Die EU-Kommission will weniger Anreize für den Verbrauch von Biokraftstoffen setzen und die Nutzung einschränken. Die Brüsseler Behörde wird dabei künftig auch negative Auswirkungen auf das Klima sowie die sichere Versorgung mit Nahrungsmitteln stärker berücksichtigen. Einen entsprechenden Vorschlag stellten EU-Energiekommissar Günther Oettinger und seine Klimakollegin Connie Hedegaard am Mittwoch in Brüssel vor.
Demnach soll Kraftstoff aus Nahrungspflanzen weniger zum Ziel der EU-Staaten beitragen, ihre selbst gesetzten Klimaziele bis 2020 zu erreichen. Die Beimischung von Biodiesel zum umstrittenen E10-Kraftstoff könne durchaus weitergehen, schreibt die EU-Kommission. Die EU-Staaten und das Europaparlament müssen die Pläne noch billigen.
Die EU-Staaten haben sich verpflichtet, im Jahr 2020 zehn Prozent der Energie im Verkehrssektor aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Nur noch die Hälfte davon soll aus Biokraftstoffen kommen dürfen, für die Nahrungspflanzen verarbeitet werden. Außerdem schlägt die Kommission vor, Biosprit, der keine deutlichen Einsparungen an Treibhausgasen bringt, ab 2020 nicht mehr mit staatlichen Mitteln zu fördern.
Während Umweltverbänden der Vorschlag nicht weit genug geht, warnt die Industrie vor Absatzeinbußen und Jobverlust. „Wir gehen einen (...) Mittelweg“, verteidigte EU-Kommissar Oettinger die Pläne. „Dieser Vorschlag wird neue Anreize für Biokraftstoffe mit optimaler Klimabilanz setzen.“ Dazu zählt Sprit aus Abfall, Stroh oder Algen. Da die Produktion dieser Stoffe keine Felder mit Nahrungsmitteln oder ökologisch wichtige Regenwälder und Feuchtgebiete zerstört, gelten sie als klimafreundlicher.
Die Industrie kann sich nach Ansicht der EU-Kommission auf die neue Linie einstellen. „Das kommt nicht über Nacht, die Industrie weiß das schon seit längerer Zeit“, sagte Hedegaard. „Leicht ist es nicht, aber es ist durchaus machbar.“ Oettinger erwartet, dass die Branche bestehende Produktionsanlagen umrüstet.
Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) begrüßte die Pläne. „Biosprit ist ein Preistreiber auf den internationalen Agrarmärkten. Er ist deshalb mitverantwortlich für den Hunger in der Welt“, mahnte der Minister. „Aber wir brauchen die Bioenergie der zweiten Generation. Die Pflanze als Nahrungsmittel, Pflanzenreste als Treibstoff.“
Mit einer genaueren Bewertung der Klimafolgen verschiedener Biosprit-Sorten hält sich die Brüsseler Behörde aber zurück. Ursprünglich hatte die Kommission zum Beispiel Biodiesel schlechter bewertet als heute. Für Treibstofflieferanten wäre er damit unattraktiver geworden. Ihre Kraftstoffe für den Verkehrsbereich sollen nämlich 6 Prozent weniger Treibhausgase erzeugen bis zum Jahr 2020. Schlechter eingestufter Biosprit hätte dazu weniger beitragen können.
In einem früheren Entwurf vom September wollte die Kommission die Klimabilanz genau berechnen. Nach heftiger Gegenwehr aus der Industrie ist davon nun vorerst nicht mehr die Rede. Die Lieferanten sollen nur noch Daten liefern. Die genauen Auswirkungen einzelner Pflanzentypen für das Klima seien noch zu wenig bekannt, rechtfertigte die EU-Kommission die Entscheidung. 2017 stehe aber eine erneute Überarbeitung der Gesetzgebung an – dann sei die Datenlage hoffentlich besser.
„Wenn dieser Vorschlag Gesetz wird, dann werden Biokraftstoffe, die klimaschädlicher sind als Rohöl, genutzt werden, um die grünen Ziele im Transportbereich zu erreichen“, kommentierte Greenpeace.
Bauernverbände lehnen die Vorschläge ab. Der Deutsche Bauernverband (DBV) forderte von der EU-Kommission einen stetigen Kurs bei Biokraftstoffen. Für Hunger und Unterernährung in den Entwicklungsländern gebe es andere wichtige Gründe wie mangelnde Investitionen in die Landwirtschaft und Streit um Eigentumsrechte. Der EU-Bauernverband Copa-Cogeca sprach von einem „inakzeptablen Vertrauensbruch durch die EU-Kommission“, der der Entwicklung der Branche ein „brutales Ende“ setze.
Die Industrie fürchtet um ihr Geschäft. Der EU-Vorschlag verhindere Investitionen in neue Technologien, um etwa Biosprit aus Müll oder Algen zu produzieren, kommentierte der Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe).
Umweltverbände halten die Vorschläge für zu schwach. Der Verband WWF nannte die EU-Pläne halbherzig. „Wir müssen aufhören, Lebensmittel zu verbrennen“, kritisierte der Verband „Friends of the Earth Europe“. Die Pläne würden den Klimawandel und weltweiten Hunger noch verschlimmern.