Nach der Veröffentlichung eines umstrittenen US-Berichts zu den Haftbedingungen im Gefangenenlager Guantánamo reißt die Kritik von Menschenrechtlern...
Washington. Nach der Veröffentlichung eines umstrittenen US-Berichts zu den Haftbedingungen im Gefangenenlager Guantanamo reißt die Kritik von Menschenrechtlern nicht ab. Das Zentrum für Verfassungsrechte (CCR) erklärte, die 245 Guantanamo-Häftlinge seien anders als vom Pentagon dargestellt nicht menschenwürdig untergebracht. Zugleich warf ein aus Guantanamo entlassener Häftling dem britischen Geheimdienst vor, seine Folter in dem Lager unterstützt zu haben.
Nach Angaben des CCR wird die Mehrzahl der Gefangenen in Isolationshaft gehalten; Schlafentzug und andere umstrittene Verhörmethoden gehörten zur Tagesordnung. "Die Haftbedingungen in den Lagern sind auf harte Bestrafung ausgerichtet und verletzen internationale und US-Rechtsstandards", beklagte die Organisation.
Bereits als erste Einzelheiten des von Präsident Barack Obama in Auftrag gegebenen Gutachtens öffentlich wurden, hatten Menschenrechtler den Bericht als "beschönigend" kritisiert und Zweifel an einem Politikwechsel in Washington geäußert. Das Pentagon hatte behauptet, dass es in Guantanamo keine grundsätzlichen Verstöße gegen die Genfer Konvention zum Umgang mit Kriegsgefangenen gebe. Allerdings empfahl der Bericht Hafterleichterungen für die Insassen. So solle etwa die Isolation der Häftlinge gemildert werden. Obama will das Gefangenenlager bis spätestens Anfang 2010 schließen.
Die Europäische Union lotet derweil weiter die Möglichkeiten einer Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen aus. Beim Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag werde eine "mögliche Einschränkung ihrer Mobilität im Schengen-Raum" diskutiert, hieß es in Brüssel. Denkbar sei etwa eine Meldepflicht.
Unterdessen erholt sich der am Vortag nach fast fünfjähriger Guantanamo-Haft in sein früheres Zufluchtsland Großbritannien überstellte Äthiopier Binyam Mohamed nach Angaben seiner Anwälte in einem Landhaus von den Strapazen. Der 30-Jährige habe sich mit seiner Schwester und seinem Anwaltsteam zurückgezogen. Der Äthiopier, der als Jugendlicher britisches Asyl beantragt hatte, war am Vorabend fünf Stunden von Scotland Yard verhört und anschließend auf freien Fuß gesetzt worden. Binyam Mohamed warf den USA vor, er sei in der Haft "auf mittelalterliche Weise" gefoltert worden. Dazu habe sexuelle Erniedrigung gehört, außerdem seien auf seine Wunden Chemikalien geschüttet worden. Dem britischen Geheimdienst warf er vor, seinen Folterern Anweisungen erteilt zu haben.
Mohamed ist der erste Guantanamo-Häftling, der seit dem Amtsantritt von Obama freigelassen wurde. Die USA hatten ihm vorgeworfen, er habe ein Terror-Training der al-Qaida in Afghanistan absolviert.