Insgesamt 150 Beobachter sollen noch bis zum Ende des Monats eintreffen. Die Opposition warnt vor Massakern. Bislang schweigen die Waffen.
Kairo/Beirut. Ist das das Ende der Gewalt in Syrien? Nachdem das Land über Wochen von schweren Gefechten gebeutelt wurde, herrscht auf einmal Stille zwischen den Fronten. „Keine Maschinengewehrsalven, keine Raketeneinschläge mehr“, sagt der Oppositionsaktivist Omar Homsi bei einem Telefonat aus der Protesthochburg Homs. Kurz zuvor waren die lang erwarteten Beobachter der Arabischen Liga in der drittgrößten Stadt Syriens eingetroffen. In Homs lieferten sich die Truppen des Regimes von Baschar al-Assad und dessen Gegner besonders erbitterte Kämpfe. Wie Befreier wurden die Beobachter empfangen. Die Bevölkerung strömte auf die Straßen, tausende Menschen bejubelten sie mit lauten Parolen. „Das Volk will den Sturz des Präsidenten“ riefen sie.
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Allein in dem Stadtteil Khaldiya versammelten sich nach Angaben der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London bis zu 30 000 Oppositionelle. „Die Menschen sind wütend und zeigen das auch der Delegation“, beschrieb ein Bewohner die Stimmung. Eine Frau sei auf die Beobachter zugegangen und habe gerufen: „Sie haben unsere Männer und Kinder getötet.“ Erst wenige Stunden vorher schwiegen die Waffn. Zuvor wurde gekämpft in Homs. Der Stadtteil Baba Amro stand unter Dauerbeschuss, Aktivisten meldeten sechs Tote. Um 7.00 Uhr Ortszeit aber begann das Militär mit den Vorbereitungen für den offiziellen Besuch aus dem Ausland: Die Armee zog ab. Oppositionelle beobachteten den Rückzug von elf Panzern aus dem Gebiet. Die Gefechte waren vorerst vorbei. Denn am Nachmittag sollten die Beobachter auch dort eintreffen.
Bis Ende Januar sollen 150 Experten der Arabischen Liga in Syrien sein und den Abzug der Armee aus den Städten überwachen. Ehrgeiziges Ziel der Mission ist es, das Blutvergießen zu beenden, das während des Arabischen Frühlings seinen Anfang nahm. Mehr als 5000 Menschen kamen nach Schätzungen der Vereinten Nationen beim Aufstand gegen Assad inzwischen ums Leben.
In der Initiative der Arabischen Liga sehen die Aktivisten der Demokratiebewegung allerdings keine Lösung und sprechen gar von einem „Protokoll des Todes“. Assad habe nur eingewilligt, um zu verhindern, dass sich der UN-Sicherheitsrat mit dem Thema befasst. Genau das will aber die Opposition: So soll der Weltsicherheitsrat Schutzzonen im Grenzgebiet zur Türkei einrichten, in denen Oppositionelle und Deserteure aus der syrischen Armee Zuflucht finden. Doch landesweite Demonstrationen gegen die Mission fanden am Freitag kaum Beachtung, da ein Selbstmordanschlag die Krise in eine neue Dimension führte: Die Täter hatten mit Autobomben Gebäude der Sicherheitskräfte angegriffen und 44 Menschen mit in den Tod gerissen.
Die Benennung des sudanesischen Generals Mustafa al-Dabi zum Leiter der Mission hält so mancher ebenfalls für eine unglückliche Wahl. Sudanesische Aktivisten der in Washington ansässigen Gruppe „Enough Project“ werfen dem ehemaligen hochrangigen Mitarbeiter des militärischen Geheimdienstes vor, Kriegsverbrechen in Darfur gedeckt zu haben.
Der 63-Jährige war vor Ausbruch des dortigen Konfliktes für die Sicherheit in der Region verantwortlich. Später vermittelte er zwischen der sudanesischen Regierung und den Friedenstruppen von Vereinten Nationen und Afrikanischer Union. Er gilt als Vertrauter des sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir, gegen den es wegen der Kriegsverbrechen in Darfur ein internationaler Haftbefehl ausgestellt wurde. Auf einen Monat ist die Mission der Liga zunächst befristet. In dieser Zeit wollen die arabischen Diplomaten, Militärs und anderen Experten mehr als 100 Krisenherde besuchen. Danach wird sich zeigen, ob die vorläufig erreichte Waffenruhe auch von Dauer ist.
(abendblatt.de/dpa)