Bei dem Nato-Luftangriff kamen bis zu 28 einheimische Soldaten ums Leben. Pakistans Armeechef Kayani kündigt “spürbare Reaktion“ an.
Yakkaghund/Islamabad. Der folgenschwere Nato-Luftangriff auf einen pakistanischen Kontrollpunkt hat das ohnehin belastete Verhältnis der USA zur Regierung in Islamabad auf einen Tiefpunkt abkühlen lassen. Pakistan sperrte als erste Reaktion am Sonnabend die Grenze für Nato-Transporte nach Afghanistan. Politik und Militär des afghanischen Nachbarlandes reagierten wütend auf den Einsatz von Kampfjets und Hubschraubern, bei dem nach Angaben aus Armeekreisen bis zu 28 einheimische Soldaten getötet und elf verletzt wurden. Die Internationale Schutztruppe in Afghanistan Isaf bestätigte den Vorfall.
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Der Befehlshaber der Nato-Truppen in Afghanistan, US-General John Allen, versprach eine Untersuchung. „Dieser Vorfall hat meine höchste persönliche Aufmerksamkeit und meine Verpflichtung zu einer genauen Untersuchung, um die Fakten zu klären“, sagte Allen.
Der Angriff auf einen Vorposten im unruhigen Nordwesten Pakistans ist der schwerste Zwischenfall seit die Regierungen in Washington und Islamabad Ende 2001 eine Allianz gegen den Terrorismus gebildet haben. Die Tötung von Al-Kaida-Chef Osama Bin Laden durch US-Spezialeinheiten in Pakistan hatte im Frühsommer das Verhältnis beider Länder vor eine Zerreißprobe gestellt.
Der Luftangriff an der Grenze wurde gut eine Woche vor einer in Bonn geplanten neuen Afghanistan-Konferenz geflogen. Dort soll über Perspektiven für die Region nach dem für Ende 2014 geplanten Abzug aller ausländischen Kampftruppen beraten werden. Außenminister Guido Westerwelle und Verteidigungsminister Thomas de Maiziere sagten in einem gemeinsamen Interview der „Bild am Sonntag“, denkbar sei, dass Bundeswehrsoldaten auch danach etwa als Ausbilder am Hindukusch im Einsatz sein könnten.
In Islamabad verurteilte Ministerpräsident Yusuf Raza Gilani den Nato-Angriff als „Anschlag auf die Souveränität Pakistans“. Armeechef General Ashfaq Pervez Kayani kündigte eine „spürbare Reaktion auf diese unverantwortliche Tat“ an. Pakistan habe in scharfer Form bei Nato und Internationaler Afghanistan-Schutztruppe (Isaf) die Bestrafung der Verantwortlichen gefordert. Der US-Botschafter in Islamabad, Cameron Munter, wurde ins Außenministerium in Islamabad zitiert. Die pakistanische Regierung legte bei ihm, in Washington und im Nato-Hauptquartier in Brüssel Protest gegen den Angriff ein. Gilani rief außerdem eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses des Kabinetts ein.
Masood Kausar, der Gouverneur der Provinz Khyber-Paktunkhwa und Regierungschef der pakistanischen Stammesgebiete, bezeichnete den Vorfall als einen Angriff auf die Souveränität des Landes. „Wir werden solche Angriffe nicht länger tolerieren“, fügte Kausar hinzu.
Die Nato bestätigte den Tod pakistanischer Soldaten, äußerte sich aber nicht zu ihrer Zahl. Die von Soldaten wegen eines Grenzzwischenfalls angeforderte Unterstützung aus der Luft habe „höchstwahrscheinlich die pakistanischen Opfer verursacht“, sagte ein Sprecher der Allianz in Kabul. Die pakistanische Armee erklärte, die Soldaten hätten sich mit allen zur Verfügung stehenden Waffen gegen den Nato-Angriff zur Wehr gesetzt. In dem Vorposten waren demnach 40 Soldaten im Einsatz. Unter den bis zu 28 Toten sollen auch zwei Offiziere sein. Die Kampfhubschrauber hätten die zwei Militärposten im Stammesgebiet Mohamad „ohne vorherige Provokation“ angegriffen, sagte ein Armeesprecher.
Über die Zahl der Verletzten gab es widersprüchliche Angaben. Armeesprecher bestätigten 13 Verletzte, Armeeangehörige in der Region sprachen von 23 oder sogar 27 Verletzten.
Stunden nach dem Angriff wurde die Versorgungsroute der Nato nach Afghanistan in Pakistan unterbrochen. „Bis jetzt wurden mindestens 150 Lastwagen angehalten“, sagte Jamil Khan, ein hoher Beamter in Khyber, einem benachbarten Stammesgebiet am Sonnabend. Ein zweiter Beamter sagte, die Lieferungen seien aus Sicherheitsgründen unterbrochen worden. Nach Nato-Angaben laufen 49 Prozent des Nachschubs für die Soldaten in Afghanistan über Pakistan.
Der Angriff löste in Pakistan eine breite Welle der Empörung aus. Das Verhältnis zwischen Islamabad und Washington ist seit längerer Zeit angespannt. US-Drohnenangriffe gegen angebliche Taliban-Stützpunkte in Pakistan rufen in der Bevölkerung Wut hervor. Im September 2009 waren zwei pakistanische Soldaten bei einem Nato-Luftangriff getötet worden. Die Allianz entschuldigte sich für den Vorfall, Pakistan sperrte als Reaktion eine der Versorgungsrouten für zehn Tage. Die Tötung des al-Kaida-Chefs Osama bin Laden im Mai in der pakistanischen Stadt Abbottabad durch US-Einheiten verschlechterte das Verhältnis weiter.
Der betroffene pakistanische Stützpunkt Salala liegt in einem abgelegenen Gebiet, das die radikal-islamischen Taliban als Rückzugsraum nutzen. Nach Angaben aus pakistanischen Sicherheitskreisen sollen Extremisten diese Route zur Infiltration nach Afghanistan nutzen. In Afghanistan wurden nach Polizeiangaben mindestens drei private Sicherheitsleute bei der Explosion einer Bombe getötet.
Mit Material von dpa/rtr