Ein 28-jähriger Rahlstedter geht als Soldat nach Afghanistan. Am Sonntag beginnt sein viermonatiger Einsatz. Vorbereitungszeit: drei Wochen.
Rahlstedt. Spontan sei er "eingesprungen". Das sei doch selbstverständlich, wenn ein Kollege krank wird, sagt der junge Mann, der sich Sebastian Schmidt nennt, aber anders heißt. Den Namen zu verraten, das wäre womöglich zu gefährlich. Denn der 28-Jährige übernimmt keine Schicht im Büro, er geht für vier Monate als Soldat nach Afghanistan. An diesem Sonntag.
Gerade einmal drei Wochen habe er Zeit gehabt, um sich "konkret auf diese schwierige Aufgabe vorzubereiten", sagt der Rahlstedter, der in Kundus stellvertretender Kompaniechef und Zugführer von 20 Soldaten sein wird. "Ich finde es richtig, für Werte wie Demokratie und Freiheit einzustehen - notfalls auch mit Gewalt", sagt er und schiebt hinterher, dass das aus dem Mund eines gläubigen Katholiken vielleicht ungewöhnlich klinge. Während sich der ein Jahr jüngere Bruder für den Zivildienst entschied, stand für Sebastian Schmidt nach dem Abitur an der Sophie-Barat-Schule fest, dass er zur Bundeswehr geht. "Auch wenn meine Mutter davon nicht so begeistert war", sagt Schmidt, der sich gleich für zwölf Jahre verpflichtete und die Laufbahn eines Offiziers einschlug. "Ich wollte dem Land, das mir so viele Chancen bietet, einfach auch mal etwas zurückgeben", betont der Sohn indischer Eltern, der erst als 16-Jähriger den deutschen Pass bekam. "Aber schon vorher habe ich mich immer als Kind dieses Landes gefühlt."
Dass er Weihnachten am Hindukusch verbringen wird, findet Sebastian Schmidt "ein bisschen traurig". Vor allem für seine Frau Christiane, mit der er seit knapp zwei Jahren verheiratet ist. "Aber zum Glück unterstützt sie mich sehr", sagt der Rahlstedter, der in der CDU politisch aktiv ist.
Überhaupt machten sich die Angehörigen der rund 7700 Soldaten, die derzeit für die Bundeswehr im Ausland im Einsatz sind, die größten Sorgen. "Wir Soldaten müssen uns vor Ort auf unsere Aufgaben konzentrieren. Da bleibt nicht so viel Zeit zum Nachdenken." Nachgedacht hat er dafür viel in den vergangenen Wochen. Über die Gefahren. Über das Risiko, verwundet oder gar getötet zu werden. "Mein Testament habe ich natürlich gemacht", sagt Sebastian Schmidt, "und auch verfügt, dass ich meine Organe spende." Zwar sei es "schon heftig", sich als gesunder, junger Mann mit dem Tod auseinanderzusetzen. "Aber der Job ist nun mal gefährlich - und sehr wichtig." Die deutschen Soldaten verstünden sich schließlich nicht als "Heilsbringer", sondern als Helfer. "Es geht darum, den Wiederaufbau eines zerstörten Landes zu unterstützen. Was wir den Menschen vor Ort unterbreiten, ist nur ein Angebot", sagt der Hauptmann, der in Neubrandenburg stationiert ist.
Manchmal wünscht sich Sebastian Schmidt mehr Solidarität - auch von Menschen, die dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr kritisch gegenüberstehen. "Man beobachtet gegenüber uns Soldaten leider oft ein freundliches Desinteresse - das hat der frühere Bundespräsident Horst Köhler schon ganz treffend formuliert", sagt der Soldat. Ein Beispiel sei die Berichterstattung über die Bambi-Verleihung in Wiesbaden in der vergangenen Woche. "Da ging es dann seitenweise darum, ob Bushido den Integrations-Preis verdient hat, und darum, dass bei Justin Bieber alle kreischen. Aber dass ein Soldat, der im Gefecht sein Augenlicht verloren hat, ausgezeichnet wurde, das wurde kaum erwähnt."
Angst habe er nicht vor dem Einsatz in Afghanistan, "aber ziemlich viel Respekt". "Es ist mein erster Auslandseinsatz - na ja, und dann gleich nach Kundus zum größten Krisenherd. Das ist schon ein ziemlicher Hammer." Obwohl er gewusst habe, dass er in Afghanistan eingesetzt werden könnte. "Aber so schnell habe ich damit einfach nicht gerechnet." Sebastian Schmidt will versuchen, täglich mit seiner Frau zu telefonieren. "Denn ich weiß aus den Erzählungen anderer Soldaten, dass es die Familie in Deutschland ist, die am meisten unter der Trennung leidet."