Laut Internationaler Atomenergiebehörde arbeitet der Iran am Aufbau von Atombomben. Debatte über Sanktionen und Militärschlag.
Wien/Teheran/Tel Aviv. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) legt ihren vorab bekannt gewordenen Bericht zum iranischen Atomprogramm voraussichtlich am heutigen Mittwoch offiziell vor. In dem bislang vertraulichen Bericht, der mehreren Nachrichtenagenturen bereits am Dienstag vorlag, verdächtigt die IAEA den Iran, geheime Atomexperimente zum Bau von Nuklearwaffen durchzuführen. Während einige der vermuteten Atombemühungen Teherans friedlichen Zwecken dienen könnten, seien andere "atomwaffenspezifisch“, heißt es.
In einem 13 Seiten umfassenden Anhang zum Bericht werden detaillierte Angaben zu Untersuchungen von Geheimdiensten und der IAEA gemacht, denen zufolge sich Teheran mit jeglichen Aspekten der Forschung zum Bau einer Atomwaffe beschäftigt, darunter der Ausstattung einer Rakete mit einem Sprengkopf. Der Iran hat stets erklärt, sein Atomprogramm diene lediglich zivilen Zwecken. Die amtliche Nachrichtenagentur IRNA wies den IAEA-Bericht zurück.
"Die Informationen weisen darauf hin, dass der Iran Arbeiten zur Entwicklung eines nuklearen Sprengkörpers durchgeführt hat", schreibt IAEA-Chef Yukiya Amano in dem 25-seitigen Bericht. Danach erhielt die Regierung in Teheran die Konstruktionspläne für Atomwaffen von einem Schmuggelnetzwerk um den pakistanischen Atomwissenschaftler Abdul Qadeer Khan. Er habe auch Libyens geheimes Atomprogramm beliefert.
Noch vor der Veröffentlichung des IAEA-Berichts zeigte sich der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad weiter unnachgiebig. Amano sei ein Handlanger der USA, erklärte Ahmadinedschad. Die USA hätten ihr Budget für Nuklearwaffen kürzlich um 81 Milliarden Dollar aufgestockt. Das sei 300-mal so viel wie der Etat des iranischen Atomprogramms. Ahmadinedschad bekräftigte, sein Land sei nicht mit dem Bau einer Atombombe beschäftigt.
Entsprechende Forschungen zum Aufbau einer Atombombe könnten auch weiterhin unternommen werden, heißt es dagegen im jüngsten IAEA-Bericht. Die Erkenntnisse, die auch die Islamische Republik selbst als politisch motiviert und unausgewogen zurückwies, dürften die Spannungen im Nahen Osten verschärfen. Medienberichten zufolge gibt es in Israel Pläne für einen Militäreinsatz gegen iranische Atomanlagen.
Im Bericht werden Hinweise auf gezielte und verdeckte Bemühungen aufgeführt, um die Fähigkeit zum Bau von Atombomben zu erlangen. Quelle für die Einschätzungen sind nach Angaben der Wiener UN-Behörde "vertrauenswürdige Informationen“, etwa aus Mitgliedsstaaten. Die waffen-relevanten Arbeiten seien Teil eines "strukturierten Programms“ bis 2003 gewesen.
Den Erkenntnissen der IAEA zufolge hat der Iran bei seinen Arbeiten an Atomwaffen auch Komponenten getestet. Unter anderem seien Experimente mit starkem Sprengstoff ein wesentliches Indiz für diese Waffenentwicklungen. Besonders beunruhigt sei die IAEA über Studien zu atomaren Bauteilen aus den Jahren 2008 und 2009.
+++ Westerwelle warnt im Abendblatt-Interview vor Militärschlag gegen Iran +++
Die USA und ihre Verbündeten dürfen nach Vorlage des Berichts auf härtere Sanktionen gegen den fünftgrößten Öl-Exporteur der Welt drängen. Möglich seien diese etwa gegen Geschäftsbanken, unwahrscheinlich dagegen ein Vorgehen gegen den Öl- und Gassektor sowie die Zentralbank, sagte ein US-Regierungsvertreter.
Russland kritisierte den Bericht als hinderlich für einen Dialog mit der Regierung in Teheran. Dadurch würden die Chancen für eine diplomatische Lösung zunichte gemacht, erklärte das Außenministerium.
Die Islamische Republik streitet ab, an Atomwaffen zu arbeiten, lehnt jedoch internationale Kontrollen ihrer Atomanlagen ab. In Israel wird diese Entwicklung als Bedrohung gesehen, da Ahmadinedschad dem jüdischen Staat wiederholt das Existenzrecht abgesprochen hat. Der israelische Präsident Schimon Peres hatte vor wenigen Tagen gesagt, die internationale Gemeinschaft sei im Streit um das iranische Atomprogramm einer militärischen Lösung näher als einer diplomatischen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu soll Medienberichten zufolge schon das Kabinett um Unterstützung für einen Militärschlag gegen den Iran gebeten haben. Russland, Frankreich und Deutschland warnen eindringlich vor den Folgen eines Militärschlags gegen den Iran.
Auch Sicherheitsexperte warnt vor Militärschlag
Auch der Sicherheitsexperte Wolfgang Ischinger warnt vor einem militärischen Eingreifen. Selbst bei erheblich verstärkten Sorgen um eine iranische Atombombe müsse es unbedingt bei einem "Nein“ zu einem Militärschlag bleiben, sagte der Völkerrechtler und Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz der "Rheinischen Post“ (Mittwoch). "Die Möglichkeiten, den Sanktionsdruck auf Teheran weiter zu erhöhen, sind noch lange nicht ausgeschöpft.“
Für einen sogenannten präemptiven, also vorbeugenden Militärschlag gibt es nach Ansicht des Völkerrechtlers und ehemaligen Diplomaten "weder eine tragfähige Rechtsgrundlage noch eine hinreichende Erfolgschance“. Die strategische Antwort der internationalen Gemeinschaft auf eine befürchtete iranische Nuklearwaffe kann nach Ischingers Auffassung die aus dem Kalten Krieg angewandte Strategie der Abschreckung sein. "Wenn diese Strategie über ein halbes Jahrhundert gegenüber der Sowjetunion funktionierte, warum soll sie notfalls nicht auch gegenüber dem Iran wirksam sein können?“, fragte er.
Der Westen verfüge über sämtliche Fähigkeiten, um den Iran vor dem Einsatz von Atomwaffen "glaubwürdig, dauerhaft und damit erfolgreich“ abzuschrecken, sagte Ischinger. Durch das Raketenabwehrsystem, das Nato und Russland planten, könne diese Strategie ergänzt und eines Tages vielleicht sogar ganz abgelöst werden.
Nachfolgend eine Übersicht über Irans bekannteste Nuklearanlagen:
Natans: In der unterirdischen Fabrik südöstlich von Teheran wird schwach angereichertes Uran produziert. Es wird für die Stromgewinnung, aber in hoch angereicherter Form auch für Atomwaffen benötigt. Für den Bau einer Atombombe müsste Uran auf 80 Prozent und mehr angereichert werden. GHOM: 2009 gab Teheran die Existenz einer weiteren, lange geheim gehaltenen Anreicherungsanlage südlich von Teheran zu, die noch nicht in Betrieb ist. Die Fabrik in einem Tunnelsystem auf einem früheren Militärgelände nahe der Schiiten-Hochburg Ghom bietet Platz für 3000 Zentrifugen zur Urananreicherung.
Buschehr: Nach der islamischen Revolution von 1979 zog sich die deutsche Kraftwerk Union (KWU) aus dem Projekt zurück. Später stiegen die Russen in Buschehr ein. In den beiden Atomreaktoren im Südwesten des Landes wurden im Oktober 2010 die ersten aus Russland gelieferten Brennelemente geladen – 35 Jahre nach Baubeginn. Im September 2011 ging Irans erstes Atomkraftwerk offiziell in Betrieb.
Isfahan: Im Zentrum der iranischen Kernforschung gibt es eine Anlage zur Produktion von Kernbrennstäben. Auch das in Zentrifugen zur Urananreicherung benötigte Hexafluoridgas wird südlich von Teheran hergestellt. ARAK: Den USA ist seit 2002 die Existenz des unfertigen Schwerwasserreaktors im Westen des Landes bekannt. Hier fällt Plutonium an, das für die Bombenproduktion verwendet werden könnte.
Teheran: Der kleine Leichtwasserreaktor in der Hauptstadt wurde noch zu Zeiten des 1979 gestürzten Schahs mit US-Hilfe gebaut. Er soll Material für medizinische Zwecke produzieren. Dazu benötigt er angereichertes Uran.
Karadsch: Seit den 1990er Jahren arbeitet nahe der Hauptstadt ein Nuklearforschungszentrum, das vor allem medizinischen Zwecken dienen soll.
Mit Material von dpa, rtr und dapd