Nach den Ausschreitungen ermittelt die Polizei in mehreren Fällen wegen Mordes.Öffentlichkeit soll bei Suche nach Urhebern der Krawalle mithelfen
London. Nach den Ausschreitungen in Großbritannien ermittelt die Polizei in mehreren Fällen wegen Mordes. Im Zusammenhang mit dem gewaltsamen Tod eines 68-Jährigen wurde am Freitag ein 22-jähriger Verdächtiger festgenommen. Der 68-Jährige war nach Polizeiangaben am späten Donnerstagabend seinen Verletzungen erlegen. Er war im Westen Londons angegriffen worden, als er versuchte, ein Feuer zu löschen.
Auch in Birmingham vernahm die Polizei drei Personen, die des Mordes verdächtigt werden. In der Stadt waren drei junge Männer, die sich offenbar einer Bürgerwehr angeschlossen hatten, von einem Auto überfahren worden. Insgesamt nahm die Polizei bis zum Freitag landesweit mehr als 1700 Personen fest, darunter mehr als 1000 in London. Gegen 591 der Verdächtigen in London wurde Anklage erhoben. Bürgermeister Boris Johnson sagte, die Bürger erwarteten "bedeutende Urteile" für die Schuldigen.
Unterdessen bittet die britische Polizei die Öffentlichkeit bei der Suche nach den Tätern der Krawalle auf bisher nicht da gewesene Weise um Mithilfe. Auf einem Großbildschirm in der Innenstadt von Birmingham zeigte sie am Freitag Bilder von Überwachungskameras, auf denen Verdächtige in Großaufnahme beim Plündern zu sehen sind. Die Londoner Polizei hat eine Internetseite eingerichtet, auf der Bilder und Videos von Verdächtigen gezeigt werden. Die mutmaßlichen Plünderer kommen aus den verschiedensten Gesellschaftsschichten. Unter ihnen sind ein elfjähriger Junge, eine junge Ballerina, ein Student aus einer wohlhabenden Pendlervorstadt und eine 24-jährige Universitätsabsolventin, die sich selbst bei der Polizei meldete. Nach Angaben ihres Anwalts brachten ihre Schuldgefühle sie um den Schlaf. Auch eine 18-Jährige, die als freiwillige Helferin für die Olympischen Spiele im kommenden Jahr ausgewählt worden war, soll sich an den Ausschreitungen beteiligt haben. Ihre Eltern entdeckten sie auf Fernsehbildern der Unruhen und meldeten sie bei der Polizei.
Die Sicherheitskräfte wiesen unterdessen Vorwürfe zurück, sie hätten zu Beginn der Ausschreitungen zu zögerlich reagiert. Hugh Orde, Präsident der Vereinigung der Polizeichefs, erklärte, die Sicherheitskräfte hätten vor "einer beispiellosen Situation, einzigartigen Umständen" gestanden. Die Polizei selbst habe jedoch die Lage in den Griff bekommen, und zwar nicht durch "politische Einmischung".
Premierminister David Cameron hatte erklärt, zunächst seien zu wenige Beamte auf den Straßen gewesen, und ihre Taktik habe nicht funktioniert. Am Dienstag patrouillierten dann 16 000 Polizisten in den Straßen Londons - fast dreimal so viele wie in der Nacht zuvor. Innenministerin Theresa May kündigte an, das riesige Polizeiaufgebot in vielen Städten bis auf Weiteres aufrechtzuerhalten.