Das große Polizeiaufgebot in London und weiteren britischen Städten, die die Krawalle in den vergangenen Nächten verhindert hatte, soll laut Innenministerin Theresa May aufrecht erhalten werden. Rund 16.000 Polizisten seien im Einsatz gewesen. Bei der Tätersuche geht die Polizei in Birmingham ungewohnte Wege. Auf einem Großbildschirm werden Bilder von Verdächtigen gezeigt.
London. Das immense Polizeiaufgebot in London und weiteren britischen englischen Städten, das die Krawallen in den letzten Nächten verhindert hat, soll laut Innenministerin Theresa May aufrecht erhalten werden. Die 16.000 Polizisten, die in den vergangenen Tagen im Einsatz waren sorgen für Schutz vor neuen Ausschreitungen, daher soll "die Zahl für eine gewisse Zeit" aufrechtgehalten werden, kündigte May an.
Dabei wird die Polizei am Wochenende unter doppelter Belastung stehen, denn in England steht der Saisonstart der Premier League mit Hunderttausenden Fußballfans an. Innenministerin May zeigte sich aber zuversichtlich: "Wir hatten jetzt einige ruhigere Nächte.“ Doch warnte auch: "Wir sind deswegen aber nicht selbstgefällig.“ Es würden auch weiterhin Polizisten aus ruhigeren Gegenden nach London und in die anderen betroffenen Städte gebracht.
May lobte den "tapferen Einsatz“ der Polizisten und Feuerwehrleute auf der Straße während der Ausschreitungen. Die Polizeiführer bei Scotland Yard kamen in dem Lob erneut nicht vor.
Unterdessen ermittelt die Polizei nach den Ausschreitungen in mehreren Fällen wegen Mordes. Dabei wurde ein 22 Jahre alter Mann festgenommen, der verdächtigt wird, verantwortlich für den gewaltsamen Tod eines 68-Jährigen zu sein. Der 68-Jährige war nach Polizeiangaben am späten Donnerstagabend seinen Verletzungen erlegen. Er war im Westen Londons angegriffen worden, als er versuchte, ein Feuer zu löschen. Er lag seit Montag im Koma.
Auch in Birmingham vernahm die Polizei drei Personen, die des Mordes verdächtigt werden. In der Stadt waren drei junge Männer, die sich offenbar einer Bürgerwehr angeschlossen hatten, von einem Auto überfahren worden. Insgesamt nahm die Polizei bis zum Freitag landesweit mehr als 1.700 Personen fest, darunter mehr als 1.000 in London.
Gegen 591 der Verdächtigen in London wurde Anklage erhoben, wie die Polizei der Hauptstadt am Freitagmorgen mitteilte. Gerichte in London, Birmingham und Manchester setzten den Angaben zufolge ihre Arbeit die zweite Nacht in Folge ohne Unterbrechung fort, um über die große Zahl der mutmaßlichen Gewalttäter und Plünderer zu richten. Der Londoner Bürgermeister Boris Johnson sagte, die Bürger erwarteten "bedeutende Urteile“ für die Schuldigen.
Die mutmaßlichen Plünderer kommen aus den verschiedensten Gesellschaftsschichten. Unter ihnen sind ein elfjähriger Junge, eine junge Ballerina, ein Student aus einer wohlhabenden Pendlervorstadt und eine 24-jährige Universitätsabsolventin, die sich selbst bei der Polizei meldete. Nach Angaben ihres Anwalts brachten ihre Schuldgefühle sie um den Schlaf. Auch eine 18-Jährige, die als freiwillige Helferin für die Olympischen Spiele im kommenden Jahr ausgewählt worden war, soll sich an den Ausschreitungen beteiligt haben. Ihre Eltern entdeckten sie auf Fernsehbildern der Unruhen und meldeten sie bei der Polizei.
Die Sicherheitskräfte wiesen unterdessen Vorwürfe zurück, sie hätten zu Beginn der Ausschreitungen zu zögerlich reagiert. Hugh Orde, Präsident der Vereinigung der Polizeichefs, erklärte, die Sicherheitskräfte hätten vor "einer beispiellosen Situation, einzigartigen Umständen“ gestanden. Die Polizei selbst habe jedoch die Lage in den Griff bekommen, und zwar nicht durch "politische Einmischung“.
Premierminister David Cameron hatte erklärt, zunächst seien zu wenige Beamte auf den Straßen gewesen, und ihre Taktik habe nicht funktioniert. Am Dienstag patrouillierten dann 16.000 Polizisten in den Straßen Londons – fast drei Mal so viele wie in der Nacht zuvor. Seit Ausbruch der Unruhen am vergangenen Wochenende sind hunderte Geschäfte geplündert worden. Gebäude gingen in Flammen auf und mehrere Menschen kamen ums Leben.
Um die Täter der Krawalle in London besser zur Verantwortung ziehen zu können, greift die Polizei zu ungewöhnlichen Mitteln und bittet die Öffentlichkeit um Hilfe bei der Suche. In der Innenstadt von Birmingham werden Bilder von Überwachungskameras auf einem Großbildschirm gezeigt. Die Bilder zeigen Verdächtige in Großaufnahme beim Plündern.
Wer einen Täter auf dem Bildschirm erkennt, soll sich bei der Polizei melden. Bei den Krawallen in London und anderen englischen Städten waren auch unzählige Läden gestürmt und ausgeraubt worden.
Überwachungsbilder spielen auch in den Ermittlungen der Polizei in anderen von den Krawallen betroffenen Städten eine zentrale Rolle. Die Londoner Polizei hat eine Internetseite eingerichtet, auf der Bilder und Videos von Tatverdächtigen gezeigt werden.
Von Jill Lawless mit Material von dpa