Nach dem russisch-amerikanischem Agentenaustausch herrscht weiter Rätselraten um den iranischen Atomforscher Shahram Amiri.
Hamburg/Washington. Wenige Tage nach dem größten Agentenaustausch zwischen Russland und den USA seit dem Kalten Krieg ist die amerikanische Regierung in einen weiteren Spionagethriller verwickelt.
Der im Juni 2009 unter mysteriösen Umständen verschwundene iranische Atomphysiker Shahram Amiri ist gestern aus den USA über Katar in sein Heimatland zurückkehrt. Sein Verschwinden in Medina während einer Pilgerreise nach Saudi-Arabien hatte weltweit für Schlagzeilen gesorgt.
Die iranische Regierung hatte behauptet, Amiri sei von CIA-Agenten entführt und in die USA verschleppt worden. Er habe am Montag in die iranische Interessenvertretung in der pakistanischen Botschaft in Washington fliehen können. Die USA und der Iran unterhalten seit mehr als 30 Jahren keine direkten Beziehungen zueinander, Washington hat gerade neue Sanktionen gegen den Iran verhängt.
Amiri behauptete im iranischen Staatsfernsehen, er sei damals von drei US-Agenten in einem Lieferwagen entführt, betäubt und in den 13 Monaten seines USA-Aufenthalts auch gefoltert worden. Er sei "psychologischer Kriegsführung und Druck" ausgesetzt gewesen, die "viel schlimmer als Gefängnis" gewesen seien. Auch habe man ihm zehn Millionen Dollar Bestechungsgeld geboten, falls er im US-Sender CNN aussage, er sei freiwillig übergelaufen. Er habe jedoch abgelehnt. Weitere Details werde er erst in "seinem lieben Heimatland" preisgeben.
Nach Angaben des US-Senders ABC war Amiri jedoch freiwillig übergelaufen. Er soll wertvolle Informationen über das umstrittene Atomprogramm Teherans geliefert haben. Der 32-Jährige forscht an der Teheraner Malek-Ashtar-Universität. Einige Beobachter in den USA vermuten, dass das iranische Regime so starken Druck auf Amiris Familie ausgeübt hat, dass er sich entschloss, zurückzukehren. Der iranische Abgeordnete Alaeddin Borudscherdi sagte der iranischen Nachrichtenagentur Isna dagegen, die US-Behörden hätten versucht, Informationen von Amiri zu bekommen. Sie hätten jedoch gemerkt, dass sie einen Fehler begangen hätten. Nach Erkenntnissen der "Washington Post" ist Amiri auch nicht geflohen, sondern wurde vor einer Ladenzeile im Zentrum Washingtons ausgesetzt, wo ihn iranische Repräsentanten der pakistanischen Botschaft in Empfang nahmen.
Im Internet waren drei Videos aufgetaucht, auf denen Amiri behauptete, seinen Entführern entkommen und in Virginia untergetaucht zu sein. Tatsächlich habe er die ganze Zeit in Tucson/Arizona gelebt, sagte ein hoher Regierungsbeamter der "Washington Post". Die Tatsache, dass er Videos veröffentlichen konnte und nun vor der pakistanischen Botschaft ausgesetzt wurde, zeige doch, dass er weder gefoltert noch eingesperrt wurde. "Er kann jede Geschichte erzählen, die er will - aber das macht sie nicht wahr."