Ein Abschlussdokument, auf das sich die teilnehmenden Staaten schon vor dem Beginn des Treffens geeinigt hatten, sorgt für heftige Kritik aus der ganzen Welt.
Hamburg. Am Mittwoch startete im brasilianischen Rio de Janeiro der dreitägige "Rio+20"-Gipfel, eine Uno-Konferenz für nachhaltige Entwicklung, bei der es um Ideen zur Bekämpfung der ökologischen Krise und der Probleme von Klimawandel und Ressourcenknappheit gehen soll. Anders als beim ersten Gipfel 1992, der wegweisende Entscheidungen zum Arten- und Klimaschutz hervorbrachte, gilt der Gipfel 20 Jahre später allerdings schon vor seinem Start als gescheitert.
"War der Erdgipfel in Rio 1992 noch ein historischer Aufbruch, so erscheint die heutige Rio-Konferenz wie eine Kapitulation der Regierungen vor den nationalen wirtschaftlichen Interessen und den internationalen Konzernen", sagt Martin Kaiser, Leiter der Internationalen Klimapolitik von Greenpeace. Denn schon vor Beginn des bis morgen dauernden Treffens, zu dem gestern rund 100 Staats- und Regierungschefs erschienen waren, wurde eine Abschlusserklärung veröffentlicht, die weltweit auf heftige Proteste stieß . Das bei einer Vorkonferenz am Dienstag verabschiedete Papier mit dem Titel "Die Zukunft, die wir wollen" enthält eine Reihe von Bekenntnissen zu Umweltschutz und zur Bekämpfung der Armut. Doch weder beim Schutz der Weltmeere und der Wälder noch bei globalen Nachhaltigkeitszielen oder der Gründung einer Uno-Umweltbehörde lässt das Papier konkrete Fortschritte erkennen.
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Die Europäische Union hatte der schwachen Gipfelerklärung zugestimmt, die Gastgeber Brasilien unter Vorsitz von Außenminister Antonio Patriota im Eilverfahren eingebracht hatte. "Offenbar sind der EU die wirtschaftlichen Interessen europäischer Unternehmen in Brasilien wichtiger als der Kampf um den Schutz der Meere, der Urwälder und des Klimas", so Kaiser. Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) zeigte sich noch bis kurz vor Beginn des Gipfels unzufrieden mit dem Text, forderte Nachverhandlungen. Strittig war bis zuletzt die Passage über die von der EU vehement geforderte Aufwertung des Uno-Umweltprogramms Unep zur vollwertigen Uno-Agentur. Auch bei den Themen Finanzen und Technologietransfer gab es Unstimmigkeiten. Zudem war unklar, ob die Deklaration klar Stellung zum langfristigen Auslaufen der Milliarden-Subventionen für fossile Brennstoffe bezieht. Nach der Veröffentlichung der vorgezogenen Ergebnisse zeigten sich viele Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen enttäuscht.
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Nach Ansicht des Verbandes Entwicklungspolitik (Venro), des Deutschen Naturschutzrings und des Forums Umwelt & Entwicklung hat die Staatengemeinschaft vor einer Handvoll Länder kapituliert, sodass es weder eine Vereinbarung zum Meeresschutz noch gegen die Zerstörung der Wälder geben werde. Die Grünen kritisierten das deutsche Einknicken vor dem vorläufigen Entwurf scharf: "Ich will Peter Altmaier kämpfen sehen, statt sich schon vor Beginn der Konferenz überrumpeln zu lassen", sagte die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. Es sei wahrscheinlich, dass die Politik nach dem Kopenhagen-Debakel versuchen werde, der Öffentlichkeit den Gipfel als Erfolg zu verkaufen.
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Den Anfang machte Ida Auken, die Umweltministerin Dänemarks und Ratspräsidentin der EU im Ministerrat. In ihrer Erklärung blieb sie so wachsweich, wie die Ergebnisse es selbst sind: Es sei vielleicht nicht der beste Entwurf der Welt, "aber es ist eine Vereinbarung für eine bessere Welt", sagte Auken. Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) hingegen warnte vor einem Scheitern der Konferenz: "Rio+20 darf nicht zu einem Gipfel der vertanen Chancen werden."