Auch Deutschland könnte Spitzen-Bonität verlieren. Friedrich Merz lobt Effekte der Agenda 2010
Paris/Berlin. Die französischen Zeitungen machten sich einen Scherz aus dem verlorenen Top-Rating AAA (Triple A) ihres Landes: Sie strichen aus dem Namen des Staatspräsidenten den Buchstaben A: "Srkozy" hieß es sogar in einer Schlagzeile. Doch Nicolas Sarkozy war nicht zum Scherzen zumute drei Monate vor der Präsidentschaftswahl. Und auch in Deutschland war das Urteil der Rating-Agentur Standard & Poor's das beherrschende Thema der Euro-Retter in der Finanzkrise. Nach Ansicht des Regierungsberaters Clemens Fuest zeigt die Abwertung der Kreditwürdigkeit Frankreichs, dass nun die Retter selbst an ihre Grenzen stoßen. "Dieser Prozess wird weitergehen, wir stehen vor einem wirtschaftlich wahrscheinlich nicht so tollen Jahr, und das wird auch Deutschland und Frankreich nicht unberührt lassen", sagte der in Oxford lehrende Wirtschaftsprofessor der Nachrichtenagentur dpa. Der Berater von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bezifferte die Chance, dass daher auch Deutschland seine Top-Bonität verlieren könnte, auf 50:50.
In Hamburg forderte der frühere CDU-Finanzexperte Friedrich Merz eine stärkere Kontrolle der Haushalte der EU-Mitgliedsländer. "Wir können nicht weiter Defizite anhäufen und dann verzweifelte Rettungsversuche starten", sagte Merz beim Neujahrsempfang des Wirtschaftsrates der CDU. Die Haushalte sollten künftig nur mit Genehmigung der EU beschlossen werden können. Man habe es mit einer Staatsschuldenkrise zu tun, nicht etwa einer Euro-Krise. Die Währung sei stabil. Merz warnte aber: "Auch uns Deutschen steht es gut an, unseren Haushalt in Ordnung zu bringen." Von den Reformen der Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung profitiere Deutschland noch heute.
In Frankreich schwieg Sarkozy am Sonntag. Er kündigte weitere konkrete Reformschritte an, so etwa die Einführung einer "sozialen Mehrwertsteuer", die die Belastung der Unternehmen durch hohe Sozialabgaben reduzieren soll. Premierminister François Fillon betonte, dass Frankreich sich ein Beispiel an Deutschland nehmen müsse. Die Tatsache, dass die Bundesrepublik nicht herabgestuft wurde, bestärke die Regierung darin, sich von den Strukturreformen im Nachbarland inspirieren zu lassen, sagte er der Sonntagszeitung "Journal du Dimanche". Besonders für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie müsse etwas getan werden. Auch Deutschland habe die Arbeitskosten gesenkt, bemerkte Fillon.
Die Opposition reibt sich die Hände. Die 2007 begonnene Präsidentenamtszeit stehe für den Verfall des Landes, wetterten Politiker der Sozialistischen Partei. Ihr Präsidentschaftskandidat François Hollande warf der Regierung Scheitern vor. "Nicolas Sarkozy hat den Erhalt des Triple A sogar zu einer Auflage für seine Regierung gemacht", sagte der in Umfragen klar führende Hollande. Es sei schlimm, dass Frankreich nicht mehr in einer Liga mit Deutschland spiele und den Menschen im Land die Konsequenzen drohten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gibt Gelassenheit als Devise aus. Standard & Poor's sei nur das Urteil einer von drei Rating-Agenturen. Die Finanzexperten der Union betonen, die Abwertung Frankreichs sei zu erwarten und daher von den Märkten längst eingepreist gewesen. Aber auf Deutschland könnten noch höhere Kosten zukommen. CDU-Fraktionsvize Michael Fuchs spricht von "Attacken auf den Euro" aus den USA.