Der Iberischen Halbinsel droht der finanzielle Kollaps. Noch stemmt sich die Bevölkerung rigoros gegen Sparmaßnahmen
Lissabon. In Portugal macht sich Angst breit. "Überall gibt es heute doch nur dieses eine Thema. Im Fernsehen, zu Hause, beim Metzger. Ich mache mir sehr große Sorgen", sagt eine Rentnerin auf einer Straße in Lissabon. Gestern herrschte im hoch verschuldeten ärmsten Land Westeuropas nach der Herabstufung der Kreditwürdigkeit gleich um zwei Stufen durch die Rating-Agentur Standard & Poor's nahezu Weltuntergangsstimmung. Das Krisenland will nun seinen Sanierungsplan beschleunigen. Zu den Maßnahmen, die Portugal vorziehen will, gehören eine höhere Besteuerung von Einkünften über 150 000 Euro, die Besteuerung von Börsengewinnen sowie die Einführung neuer Autobahngebühren.
Doch eine Streikwelle gegen die geplanten Sparmaßnahmen der Regierung trug gestern nicht unbedingt zur Beruhigung bei. "Was die Portugiesen am meisten erschreckt, ist die Tatsache, dass die Arbeitslosigkeit Rekordniveau (10,4 Prozent) erreicht hat und man das Gefühl hat, dass sich die Lage so schnell nicht bessern wird", sagt die Chefredakteurin des "Jornal de Negocios", Eva Gaspar. Die Gewerkschaften meutern deshalb gegen die Sparpläne. Diese Woche legen die Briefträger die Arbeit bis Freitag nieder, am Dienstag kam der öffentliche Verkehr wegen eines Streiks beinahe zum Erliegen, und gestern traten die Angestellten des Parlaments in den Ausstand.
Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos nannte sein Land Opfer einer "spekulativen Attacke durch die Märkte". Mit solchen Reaktionen kommt die sozialistische Regierung allerdings bei kaum einem Portugiesen an. "Wer über seine Verhältnisse lebt und das ausgibt, was er nicht hat, muss die Folgen in Kauf nehmen", sagt der Präsident des mächtigen Sonae-Konzerns, Belmiro de Azevedo, der als reichster Mann Portugals gilt. Und auch Zeitungschef Pedro Santos Guerreiro meint: "Der Feind ist unter uns."
Portugal hat mit einem Haushaltsdefizit von 9,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zwar eine niedrigere Neuverschuldung als Griechenland. Aber in Lissabon herrscht seit der Wiederwahl von Ministerpräsident José Sócrates im September 2009 eine Regierung, die sich zögerlich zeigt. "Wir haben keine Regierung", meint der Textil-Unternehmer Alexandre Soares dos Santos. Sócrates will mit Spar- und Privatisierungsaktionen das Defizit bis 2013 auf 2,8 Prozent drücken.
Nur einen Tag nach der Herabstufung Portugals und Griechenlands hat die Agentur S&P auch die Kreditwürdigkeit Spaniens gekappt. Der Euro gab binnen Sekunden nach Bekanntwerden der Nachricht ebenso nach wie die Aktienmärkte. Die Gefahr eines Domino-Effekts wird damit immer größer.
Grund für die Herabstufung sei, dass die Periode eines schleppenden Wachstums in dem Land länger andauern werde als bislang erwartet. Man gehe nun von einem durchschnittlichen Wachstum von 0,7 Prozent in den Jahren von 2010 bis 2016 aus, nach bislang erwarteten 1,0 Prozent. Zudem sei der Ausblick für das Land negativ. Dies bedeute, dass eine weitere Herabstufung möglich sei, falls sich die Finanzlage Spaniens schlechter als bislang entwickele. Das Land müsse weitere Spar-Maßnahmen ergreifen.