Verhandlungen schleppen sich dahin. Türkischer Ministerpräsident Erdogan bleibt hart: Privilegierte Partnerschaft kommt nicht infrage.
Berlin. Angela Merkel (CDU) reist heute zum zweiten Mal als Kanzlerin in die Türkei. Der erste Besuch liegt dreieinhalb Jahre zurück, aber geändert hat sich seitdem wenig. Die Beitrittsverhandlungen zwischen der Türkei und der EU schleppen sich weiter dahin, von den 35 Beitrittskapiteln wurden bislang nur zwölf eröffnet und nur eins wurde abschließend behandelt.
Vor allem in der Zypern-Frage stellt sich die Türkei stur. Schon 2006 hieß es, die Gespräche würden in eine Sackgasse geraten, wenn Ankara seine Flug- und Seehäfen nicht sofort für zyprische Flugzeuge und Schiffe öffne. Das hat Ankara bis heute nicht getan. Zypern ist seit 1974 in einen türkisch-zyprischen Teil im Norden und einen griechisch-zyprischen Teil im Süden geteilt. Seit 2008 laufen zwischen beiden Seiten Gespräche über eine Wiedervereinigung der Mittelmeerinsel - wieder einmal. Die Republik Zypern gehört bereits seit 2004 zur EU, und die griechischen Zyprer wollen eine Aufnahme der Türkei in die EU so lange blockieren, wie die Insel geteilt bleibt. Und auch Merkel lässt keinen Zweifel daran, dass alle EU-Mitgliedstaaten Zugang zu den Häfen ihrer Partner haben müssen. Sie ist ohnehin skeptisch, ob ein muslimisch geprägtes Land wie die Türkei zur EU passt. Aus dem Kanzleramt heißt es, die Bundeskanzlerin lege Wert darauf, dass die EU ihren "Charakter" durch weitere Beitritte nicht verliere.
Erdogan will sich allerdings auf keine Alternative zu einer Vollmitgliedschaft einlassen und sagt, sein Land komme bei den von der EU geforderten Reformen gut voran. Seinen Europaminister Egemen Bagis ließ er am Wochenende sagen, Ankara lehne eine "privilegierte Partnerschaft" ab, weil so eine Partnerschaft keine rechtliche Grundlage in der EU habe und eine solche Option deshalb schlichtweg nicht existiere.
Aus Merkels Sicht bedeutet "privilegierte Partnerschaft": Ja zu einer engen Anbindung der Türkei an die EU und eher Nein zur vollen Mitgliedschaft. Im Koalitionsvertrag von Union und FDP heißt es dazu: "Die 2005 mit dem Ziel des Beitritts aufgenommenen Verhandlungen sind ein Prozess mit offenem Ende (...) Sollte die EU nicht aufnahmefähig oder die Türkei nicht in der Lage sein, alle mit einer Mitgliedschaft verbundenen Verpflichtungen voll und ganz einzuhalten, muss die Türkei in einer Weise, die ihr privilegiertes Verhältnis zur EU weiterentwickelt, möglichst eng an die europäischen Strukturen angebunden werden." In Berlin heißt es dazu lapidar: "Es gibt noch sehr viel zu tun." Nach allen Erfahrungen bei Verhandlungen auf EU-Ebene weiß man dort, dass Einigungen Jahre brauchen. Die Amtszeit dieser Bundesregierung endet im September 2013. Die Frage Ja oder Nein zur Vollmitgliedschaft der Türkei stelle sich deshalb gar nicht - jedenfalls "nicht in den nächsten dreieinhalb Jahren".
Trotzdem muss man kein großer Prophet sein, um vorauszusagen, dass das Treffen zwischen Merkel und Ministerpräsident Erdogan kein Vergnügen werden wird. Dennoch hat Merkel am Wochenende gesagt, sie freue sich auf diese Reise. Sogar sehr. "Wir arbeiten gemeinsam in der Nato, und wir haben sehr gute bilaterale Beziehungen."
Ein Blick auf die Agenda sagt etwas anderes. Merkel und Erdogan sind sich nämlich keineswegs einig, was die Sanktionen gegen den Iran wegen dessen Atomprogramm anbetrifft. Erdogan lehnt diese Strafmaßnahmen ab. Sie seien bislang wirkungslos geblieben, meinte er im "Spiegel"-Interview. Merkel sagte hingegen am Sonnabend, wenn der Iran bei seinem Atomprogramm nicht Transparenz zeige, müsse über weitere Strafmaßnahmen gegen Teheran nachgedacht werden.
Heute Abend trifft die Kanzlerin in Ankara noch den türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül, anschließend reist sie nach Istanbul weiter.