Berlin. Die Forderung des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan nach türkischen Gymnasien in Deutschland belastet die heutige Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Ankara.
Am Wochenende lehnte Merkel den Vorschlag in ihrer wöchentlichen Video-Botschaft im Internet indirekt ab. Die Beherrschung der deutschen Sprache sei die Voraussetzung für eine gelungene Integration der türkischen Mitbürger, sagte Merkel. "Das bedeutet natürlich, dass die deutsche Sprache erlernt wird und die deutschen Gesetze eingehalten werden." Sie verstehe unter Integration "nicht etwa Assimilation oder die Aufgabe der eigenen Heimat". Es gehe vielmehr darum, "dass sich Menschen, die über viele Generationen bei uns leben, in dieses Land integrieren. Das heißt, teilhaben an dem gesellschaftlichen Erfolg, teilhaben im Arbeitsleben, teilhaben im Familienleben."
Unterstützung erhielt die Kanzlerin von Thomas Straubhaar, dem Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts. Straubhaar schrieb in seinem Blog auf abendblatt.de, mit seiner Forderung nach türkischen Gymnasien in Deutschland stehe Erdogan "quer zu allen auch wissenschaftlich gut abgesicherten Erkenntnissen für eine erfolgreiche Integration". Das gelte nicht nur für die Türken in Deutschland. Auch der Blick auf die USA zeige dies. Dort gelte für alle Einwanderer: "Englisch bleibt der Schlüssel zum ökonomischen Erfolg. Denn wer nicht verstanden wird, hat nichts zu sagen."
Die Integrationsproblematik ist nicht das einzige Streitthema zwischen Deutschland und der Türkei. Uneinig sind sich Merkel und Erdogan auch hinsichtlich der Sanktionen gegen den Iran. Besonders umstritten ist die Frage, ob die Türkei Vollmitglied der EU werden soll. Merkel lehnt dies ab und bietet Ankara eine "privilegierte Partnerschaft" an. Die deutsche Wirtschaft macht sich hingegen für eine weitere Annäherung zwischen der EU und der Türkei stark. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Werner Schnappauf, forderte im "Handelsblatt" eine "emotionsfreie Diskussion". Als Markt sei die Türkei für die deutsche Industrie inzwischen wichtiger als Japan, die Exporte dorthin entwickelten sich "überdurchschnittlich gut". Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sprach sich für ergebnisoffene Verhandlungen über einen EU-Beitritt aus.