Genugtuung über den Rede-Boykott, aber die Sorge überwiegt. Ein israelischer Experte sagt: „Wir sind allein mit diesem Problem.“
Tel Aviv. Die Hassrede des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad vor der Uno-Vollversammlung hat für Israel die schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Ahmadinedschad warf dem „zionistischen Regime“ Völkermord in den Palästinensergebieten vor und beschuldigte die Juden, weltweit Politik, Wirtschaft und Kultur zu dominieren. Der israelische US-Botschafter Michael Oren sah Elemente des „klassischen Antisemitismus“ in der Rede, die zum Eklat bei den Vereinten Nationen geführt hatte.
Mit einer gewissen Genugtuung wurde allerdings in Israel aufgenommen, dass zahlreiche westliche Repräsentanten den Saal während der Rede aus Protest verließen. Der Armeesender zählte die USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Schweden als Staaten auf, deren Vertreter sich dem Boykott der Ansprache anschlossen. „Die (Repräsentanten der) Mehrheit der Staaten der freien Welt sind aufgestanden und sofort gegangen“, sagte der israelische Außenminister Avigdor Lieberman mit Zufriedenheit. „Dies zeigt, dass Entschlossenheit sich auszahlt.“
Dennoch fühlen sich viele Israelis, die den Iran als existenzielle Bedrohung sehen, vom Rest der Welt alleingelassen. „Das Gefühl der Bedrohung ist sehr stark“, sagt Professor Ephraim Inbar, Leiter des Begin-Sadat-Zentrums für Strategische Studien. „Aber wir sind allein mit diesem Problem.“
Der Rest der Welt reagiere nicht mit ausreichendem Nachdruck und Empörung auf die Tiraden des iranischen Präsidenten. „Es ist eine Schande, dass nur die Repräsentanten von 25 Ländern den Saal verlassen haben – mehr als 150 sind geblieben“, sagt Inbar. Aus seiner Sicht sind viel härtere internationale Maßnahmen gegen den Iran notwendig, wie etwa der Abbruch diplomatischer Beziehungen. „Die Lufthansa fliegt immer noch nach Teheran“, betonte er.
Viele Israelis fühlen sich von der Politik des Westens gegenüber dem Iran an die Beschwichtigungspolitik der Alliierten gegenüber Nazideutschland erinnert. Dass Ahmadinedschad den Holocaust leugnet, verstärkt Ängste in dem Land, in dem das Trauma der Judenvernichtung bis heute fortlebt. Beschimpfungen der Israelis als „Teufelsanbeter und Kriminelle“, die den Nahen Osten „verschmutzt“ hätten, vertiefen die Befürchtungen weiter.
Der israelische Staatspräsident Schimon Peres, selbst Vater des israelischen Atomprogramms, nannte Ahmadinedschad „einen der bösartigsten und schlimmsten Menschen der Gegenwart“. Er verglich ihn vergangenes Jahr sogar mit Adolf Hitler, den am Anfang auch niemand ernst genommen habe.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will die Weltöffentlichkeit mit Nachdruck davon überzeugen, dass aus Teheran eine tödliche Gefahr ausgeht und eine nukleare Aufrüstung des antisemitischen Regimes unter allen Umständen zu verhindern ist. In einem Interview mit der Zeitung „Israel Hajom“, das vor seiner Ansprache vor der Uno-Vollversammlung veröffentlicht wurde, sagte Netanjahu über Ahmadinedschad: „Wir werden es einem gefährlichen Führer nicht erlauben, uns mit einem neuen Holocaust zu bedrohen."