Der Plenarsaal war nur spärlich besetzt. Trotzdem nutzte Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad seine Uno-Rede zu Ausfällen gegen Israel.
New York. Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat wie befürchtet seinen Auftritt vor der Uno-Vollversammlung zu heftigen Angriffen gegen Israel benutzt, sich zugleich aber offen für einen Dialog mit der internationalen Gemeinschaft gezeigt. Der iranische Präsident warf Israel „Völkermord“ an den Palästinensern vor. Die israelische Delegation nahm aus Protest an der Sitzung am Mittwochabend (Ortszeit) in New York nicht teil, zahlreiche andere Teilnehmer verließen den Saal während der Rede.
Das Vorgehen der Israelis gegenüber den Palästinensern nannte Ahmadinedschad unmenschlich. Mit Blick auf die Lage im Gazastreifen fragte er: „Wie kann es sein (...), dass unterdrückte Männer und Frauen, die Opfer eines Völkermords und strikter wirtschaftlicher Blockade sind, Grundbedürfnisse wie Essen, Wasser und Medikamente verweigert bekommen?“
Allerdings sagte Ahmandinedschadt auch, der Iran sei bereit, jede Hand zu schütteln, die „uns ehrlich ausgestreckt wird“. US-Präsident Barack Obama hat die Metapher der ausgestreckten Hand mehrfach benutzt, um seine Bereitschaft zu einem Dialog mit dem Iran zu unterstreichen. Nach den Worten des iranischen Präsidenten will sein Land sich für den Weltfrieden einsetzen. Gleichzeitig verteidige sein Land aber auch seine legitimen Rechte.
Damit spielte Ahmadinedschad offenbar auf das international umstrittene Atomprogramm an, das er in seiner Rede nicht explizit erwähnte. Der Iran bezeichnet die Nuklearforschung und die zivile Nutzung der Atomkraft als sein legitimes Recht. Große Teile der internationalen Gemeinschaft befürchten jedoch, der Iran betreibe heimlich ein Programm zum Bau von Atomwaffen.
Während Ahmadinedschads Rede war der Plenarsaal nur spärlich besetzt – die Vertreter Israels, der USA oder etwa Großbritanniens hatten ihre Plätze geräumt. „Es ist enttäuschend, dass Herr Ahmadinedschad einmal mehr hasserfüllte, beleidigende und antisemitische Rhetorik gewählt hat“, erklärte der Sprecher der US-Mission, Mark Kornblau, zur Begründung.
Bereits am Mittwochachmittag hatte Libyens Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi in seiner Rede die Vereinten Nationen in ungewöhnlich scharfer Form angegriffen. In einer aufgebrachten Rede vor der Vollversammlung erklärte er, die Besetzung des UN-Sicherheitsrats mit Nuklearmächten sei „Terrorismus“. „Er sollte nicht Sicherheitsrat heißen, er sollte Terrorrat heißen“, sagte Gaddafi. Das Veto-Recht der fünf ständigen Mitglieder China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA verstoße gegen die UN-Charta. Die Supermächte nutzten die Macht der Vereinten Nationen, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen, sagte Gaddafi, der nach US-Präsident Barack Obama ans Rednerpult trat.
Für seinen Vorredner war Libyens Staatschef indes voll des Lobes. „Wir wären glücklich, wenn Obama für immer Präsident von Amerika bleiben könnte“, sagte Gaddafi, der selbst seit 40 Jahren im Amt ist. „Sie sind der Beginn eines Wandels“, lobte Gaddafi, der seine Redezeit von 15 Minuten weit überzog und mehr als anderthalb Stunden lang sprach. Obama hatte 40 Minuten geredet.
Weiter warf Gaddafi den UN vor, ihre eigene Charta zu brechen. Seit Bestehen der Weltorganisation habe es 65 Kriege weltweit gegeben mit Millionen mehr Opfern als im Zweiten Weltkrieg. Dabei sei es UN-Aufgabe, Frieden zu schaffen. Gaddafi schwenkte während seiner Rede immer wieder die UN-Charta und zerriss einmal mehrere Seiten. Viele Mitglieder hatten daraufhin den Saal aus Protest verlassen.
Für die afrikanischen Staaten forderte Gaddafi 7,77 Billionen Dollar (rund 5,26 Billionen Euro) als Entschädigung für die Kolonialzeit. Wenn die westlichen Länder nicht zahlten, würden sich die Afrikaner das Geld zurückholen, sagte er am Mittwoch vor der UN-Vollversammlung in New York. Er spreche „im Namen von 1000 afrikanischen Königreichen“, erklärte der libysche Revolutionsführer, der bei seiner ersten Rede während einer Generaldebatte der Vereinten Nationen ein sandfarbenes Gewand mit einem Anstecker in der Form des afrikanischen Kontinents trug. Gaddafi sagte ausdrücklich, dass sich seine Billionen-Forderung nicht an die frühere libysche Kolonialmacht Italien richte. Italien hatte 2008 ein Freundschaftsabkommen mit Libyen unterzeichnet und dem nordafrikanischen Land rund 3,4 Milliarden Euro in Form von Projektinvestitionen zugesagt.
US-Präsident Barack Obama hatte bei seiner ersten Rede vor der Uno die Staatengemeinschaft aufgerufen, die weltweiten Probleme gemeinsam anzugehen. „Wenn wir zu uns selbst ehrlich sind, dann müssen wir zugeben, dass wir dieser Verantwortung nicht gerecht werden“, sagte er vor der Vollversammlung. Die USA könnten die Schwierigkeiten nicht alleine lösen.
„Diejenigen, die Amerika üblicherweise für seine Alleingänge in der Welt gescholten haben, können nun nicht darauf warten, dass Amerika die Probleme der Welt allein löst“, erklärte Obama. Damit spielte er auf die Politik seines Vorgängers George W. Bush an, der selten auf internationale Zusammenarbeit gesetzt hatte. „Jetzt ist es Zeit für uns alle, unseren Teil der Verantwortung zu übernehmen für eine globale Antwort auf die globalen Herausforderungen“, forderte Obama.
Die Welt erwarte auch, dass die USA beim Wandel die Führung übernähmen, betonte Obama. Er wisse, dass es viele Erwartungen an seine Präsidentschaft gebe. Aber es gehe nicht um ihn, sondern darum, die Herausforderungen anzunehmen. Die USA hätten in der Vergangenheit zuweilen unilateral gehandelt; zudem habe es manche Fehlinformationen über die USA gegeben. Das habe auch Antiamerikanismus ausgelöst.
Weiter sagte Obama unter Beifall, dass er als eine seiner ersten Amtshandlungen ein Ende von Folter angeordnet habe. Auch habe er beschlossen, das weltweit kritisierte US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba zu schließen. Zugleich habe er den Abzug aller US-Kampftruppen aus dem Irak für das kommende Jahr angeordnet. Obama sagte, dass es keinen Frieden und Wohlstand in der Welt geben könne, wenn ein Land ein anderes dominiere. Keine Weltordnung könne funktionieren, wenn ein Land die Macht über ein anderes anstrebe.
Auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon , rief die Staaten zum gemeinsamen Handeln auf. Angesichts der Vielzahl an Problemen schlage jetzt die Stunde der Uno, erklärte Ban. „Die Welt wendet sich für Lösungen an uns. Wir sind die größte Hoffnung der Menschheit.“ Obama forderte ebenfalls energische Schritte gegen den Klimawandel. „Die Gefahr durch den Klimawandel kann nicht geleugnet werden.“ Auch Amerika werde handeln und im eigenen Land den Ausstoß von Treibhausgasen verringern. Beim Uno-Klimagipfel in Kopenhagen im Dezember müssten sich aber alle Länder bewegen.
Obama steht zurzeit vor mehreren außenpolitischen Herausforderungen. Dazu gehört der Atomstreit mit Nordkorea, dessen Machthaber Kim Jong-il nicht an der Versammlung teilnimmt. In New York anwesend waren jedoch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas, die zu einem Nahost-Gipfel mit Obama zusammengekommen waren. Konkrete Ergebnisse gab es jedoch offenbar nicht.
In diesem Jahr nimmt eine ungewöhnlich große Zahl von Staats- und Regierungschefs aus den einflussreichsten Staaten an der Vollversammlung teil. Darunter sind die Präsidenten Russlands und Chinas, Dmitri Medwedew und Hu Jintao. Hintergrund ist das am Donnerstag beginnende G20-Treffen, das in Pittsburgh stattfindet. Dazu reist auch Bundeskanzlerin Angela Merkel in die USA.