Rebiya Kadeer war erst Unternehmerin und getreue Parteisoldatin und landete dann im Gefängnis. Aus dem US-Exil setzt sie sich für die Uiguren ein.
Peking/Hamburg. Für die Machthaber in China ist sie der Staatsfeind Nummer eins. Eine Terroristin, die Unruhen unter den Uiguren schürt. Für viele ihrer Landsleute jedoch ist die zierliche Frau eine Heldin, die den Mut hatte, mit der Pekinger Führung zu brechen. Rebiya Kadeer (62) hat in drei Kulturkreisen gelebt, innerhalb des chinesischen Systems eine erfolgreiche Karriere gemacht und sich dann zur wichtigsten Aktivistin für die Rechte der muslimischen Uiguren gewandelt. Sie ist das Gesicht zu den Unruhen rund um das Aufbegehren der uigurischen Minderheit, zu denen im Westen des Landes zwischen acht und neun Millionen Menschen zählen.
In der westchinesischen Region Xinjiang halten die Unruhen an. Es kam erneut zu Protesten muslimischer Uiguren. Aber auch Hunderte Han-Chinesen zogen mit Knüppeln bewaffnet durch die Straßen der Hauptstadt Urumtschi. Verkaufsstände von Muslimen wurden umgestürzt. Die Bereitschaftspolizei drohte, doch die Demonstranten zogen weiter in Richtung einer Moschee. Zuvor hatte sich eine Gruppe von 200 zumeist weiblichen uigurischen Demonstranten ein Handgemenge mit Sicherheitskräften geliefert. Die Frauen blockierten eine Hauptstraße und forderten die Freilassung ihrer Männer und Kinder. Nach etwa eineinhalb Stunden löste sich die Demonstration auf. Sie ereignete sich, als sich Journalisten ein Bild über das Ausmaß der Zerstörungen von den Zusammenstößen am Sonntag machen wollten.
Nach den Unruhen nahmen die Behörden nach einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua mehr als 1400 Verdächtige fest. Bei den Zusammenstößen zwischen muslimischen Uiguren und Han-Chinesen kamen seit Sonntag mindestens 156 Menschen ums Leben.
In Urumtschi liefen noch immer Hunderte Sicherheitskräfte Streife. Sie waren mit Schutzschilden, Schlagstöcken und Gewehren ausgestattet. Das Mobilfunknetz wurde lahmgelegt und die Nachrichten-Website Twitter blockiert. Internetverbindungen funktionierten nicht oder nur langsam.
Die uigurische Aktivistin Kadeer wuchs in relativer Armut in der Provinz Xinjiang auf, begann dann mit einer Wäscherei und wurde eine der erfolgreichsten und reichsten Geschäftsfrauen in China. In Urumtschi hatte sie ein Warenhaus, wurde Mitglied der Kommunistischen Partei, stieg in deren Rängen auf und wurde schließlich Abgeordnete ihrer Provinz im Pekinger Volkskongress.
Doch die brutale Niederschlagung uigurischer Proteste 1997 durch die chinesische Armee rüttelte ihr Leben auf. Als sie 1997 die Politik der chinesischen Regierung in Xinjiang scharf verurteilte, wurde sie aus dem Volkskongress ausgeschlossen. 1999 verurteilte sie ein Gericht wegen angeblicher Weiterverbreitung von Staatsgeheimnissen zu acht Jahren Gefängnis. Kadeer hatte ihrem im US-Exil lebenden Ehemann Zeitschriften-Ausschnitte geschickt. Im Gefängnis wurde sie nach eigenen Angaben Zeugin von Folter, Vergewaltigungen und Hinrichtungen.
2005 wurde Kadeer „wegen gesundheitlicher Probleme“ – aber wohl auch auf Druck der USA – vorzeitig entlassen. Seither lebt sie in den USA und hat in Washington die Position der Vorsitzenden des Uigurischen Weltkongresses. Vehement wehrt sie sich immer wieder gegen den Vorwurf Pekings, die uigurischen Aktivisten seien muslimische Extremisten und Terroristen. Die Menschen seien in ihrer Heimat so eingeschüchtert, kontrolliert und würden mit so harter Hand unterdrückt, dass selbst Eltern und Kinder sich gegenseitig misstrauten, beklagt sie. Die Verwendung der uigurische Sprache sei streng verboten.
In den USA veröffentlichte die Mutter von elf Kindern auch das ins Deutsche übersetzte Buch „Die Himmelsstürmerin: Chinas Staatsfeindin Nr. 1“, in der sie ihr Leben schildert. Sie wurde mehrfach für den Friedensnobelpreis nominiert und galt zuletzt 2008 als aussichtsreiche Kandidatin.