Mit der Wucht eines Tsunamis hat die Finanzkrise jetzt die ärmsten Menschen der Welt erfasst. Private Investitionen in Entwicklungsländern gehen...
Mit der Wucht eines Tsunamis hat die Finanzkrise jetzt die ärmsten Menschen der Welt erfasst. Private Investitionen in Entwicklungsländern gehen zurück, die Erlöse aus Exporten sinken dramatisch, Banken verleihen kaum noch Geld an Unternehmen, Familienangehörige, die im Ausland arbeiten, können keine Unterstützung mehr überweisen.
400 000 Kinder werden jetzt zusätzlich jedes Jahr sterben, wenn wir nichts dagegen tun. Ihre Eltern hatten zwar nie ein "Bankzertifikat" in der Hand - aber sie halten jetzt hilflos gegenüber den Folgen globaler Gier die Hände ihrer Kinder. Was sollen sie tun? Ihre Regierungen können nicht gegensteuern, können nicht den Kasinokapitalismus beenden, Arbeit sichern, soziale Netze stärken oder auch nur das Schlimmste verhindern. Diese Menschen sind nicht verantwortlich, aber zahlen den Preis, einen bitteren Preis. Beim Tsunami sahen wir die Opfer und alle halfen. Bei dem Finanz-Tsunami sieht bis heute keiner die Opfer im Fernsehen.
Diese Menschen dürfen wir nicht vergessen! Wir müssen gerade jetzt ein unübersehbares Zeichen dafür setzen, dass wir in der Not nicht nur an uns selber denken. Für die globale gemeinsame Zukunft würde solcher Egoismus verheerende Folgen haben. Die Finanzkrise darf nicht zur humanitären Krise werden. Sie darf auch nicht dazu führen, dass wir den Kampf gegen die Folgen der Klimakrise vernachlässigen, die ja ebenfalls die armen Länder besonders trifft, obwohl sie auch für diese Krise keine Verantwortung tragen.
Jetzt ist die Zeit, globale Partnerschaft zu beweisen. Darum setzen wir in der Bundesregierung ein unübersehbares Zeichen der Solidarität und unterstützen unter anderem aus unserem Hilfsprogramm auch besonders betroffene Entwicklungsländer. Da wir als vergleichsweise kleines Land immer noch die erfolgreichste Exportnation weltweit sind, ist das übrigens nicht nur humanitär richtig, sondern auch wirtschaftlich sehr vernünftig.
Ich erwarte von den G20-Staaten, die sich heute in der britischen Hauptstadt London treffen, dass sie auch in diesem Sinne aktiv werden. Die armen Entwicklungsländer sind aber in der G20 nicht vertreten. Von London muss nun ein Zeichen dafür ausgehen, dass die Verantwortlichen der Länder anerkennen, dass auch die ärmsten Entwicklungsländer unter anderem aus Afrika in eine globale Lösung einbezogen werden müssen. Die Auswirkungen der Krise sind derzeit Ausdruck einer wachsenden Ungleichheit in der Welt, die wir dringend vermindern müssen.
Wer jetzt nicht Solidarität sät, der wird Sturm ernten. Jetzt muss es im Interesse der auf dem G20-Treffen vertretenen Staaten sein, auch die Wirtschaft in den ärmsten Ländern anzukurbeln. Ein konkreter Vorschlag, den die G20 aufnehmen sollte und den Deutschland bereits umgesetzt hat, ist, dass die Rettungsprogramme aller Industrieländer 0,7 bis ein Prozent der Hilfe für Investitionen in Entwicklungsländer vorsehen sollten. Dieser Vorschlag stammt von Weltbankpräsident Robert E. Zoellick, und er ist richtig.
Nur Entwicklungspolitik kann verhindern, dass Milliarden armer Menschen weltweit in den nun von den Industrieländern zu ergreifenden Maßnahmen allein die Fratze eines globalisierten Egoismus sehen.
Die Krise wird nur dann zur Chance, wenn daraus die globale Partnerschaft gestärkt hervorgeht, wenn wir die globalen Institutionen so verändern, dass alle Betroffenen eine Stimme haben.
Die Industrieländer müssen sich jetzt mit Maßnahmen beteiligen, damit nicht Egoismus sich globalisiert, sondern Solidarität und Frieden und Kinderlachen. Solange Kinder hungrig ins Bett gehen, so lange brauchen wir Entwicklungspolitik - im Interesse auch unserer Kinder und Enkel.