Rotes Kreuz spricht mittlerweile von humanitärer Krise. Israelische Truppen rücken weiter zu Siedlungszentren vor. Die Palästinenser setzen ihre Raketenangriffe fort.

New York. Bei dem israelischen Angriff auf eine UN-Schule im nördlichen Gazastreifen sind nach Angaben der Weltorganisation mindestens 36 Menschen getötet und 55 verletzt worden. Diese Zahlen teilte UN-Sprecherin Michèle Montas heute in New York mit. Die Palästinenser hatten von 46 Toten gesprochen.

Der Direktor des UN-Palästinenserhilfswerks UNWRA, John Ging, sagte in einer Videoschaltung aus dem Gazastreifen, die Schule sei als Zufluchtsort für Flüchtlinge in dem Krisengebiet genutzt worden. "Die Menschen wissen nicht mehr wohin, und wir können es ihnen auch nicht sagen."

Nach Augenzeugenzeugenberichten wurde die Schule von Kampfflugzeugen und Panzern angegriffen, nachdem militante Palästinenser aus einem an die Schule grenzenden Gebiet mit Mörsergranaten auf israelische Truppen geschossen hatten. Granatsplitter hätten Löcher in Klassenzimmer gerissen. Schuhe und Kleidungsstücke lägen auf dem Boden verstreut. Überall gebe es Blutlachen. Fenster seien zersplittert.

Die Attacke auf die Schule im Flüchtlingslager Dschebalia war nach Angaben der Vereinten Nationen der zweite Angriff auf eine UN-Schule innerhalb weniger Stunden. Bei dem ersten Zwischenfall waren in der Nacht drei Palästinenser ums Leben gekommen.

Dutzende Tote bei Angriffen auf UN-Schulen im Gazastreifen

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John Ging forderte eine unabhängige Untersuchung der Angriffe. Auch in Krisenzeiten müssten das internationale Recht und der verbriefte Schutz von Flüchtlingen beachtet werden. Seinen Angaben zufolge hat das UN-Hilfswerk der israelischen Regierung die GPS-Daten für alle Schulen und Einrichtungen der Vereinten Nationen im Gazastreifen übermittelt.

In New York wollte in der Nacht zum Mittwoch erneut der Sicherheitsrat zu Beratungen über die Lage im Palästinensergebiet zusammenkommen. An dem Treffen wollten nach einem Zweier-Gespräch auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas (Fatah) teilnehmen. Ebenfalls erwartet wurden die Außenminister der USA und Frankreichs, Condoleezza Rice und Bernard Kouchner.

Die Nacht zum Dienstag sei nach Informationen von IKRK-Mitarbeitern in Gaza die "bisher schrecklichste" gewesen, sagte Pierre Krähenbühl vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf. Die Zahl der Toten und Verletzten steige weiter - seit Beginn der Offensive am 27. Dezember verloren mehr als 500 Palästinenser ihr Leben.

In der Stadt Gaza sowie im nördlichen Teil des Gazastreifens sei am Dienstag die Wasserversorgung für rund 800.000 Menschen zusammengebrochen, sagte Munsir Schiblak vom Wasserwerk in Gaza. "Das ist keine Krise, es ist eine Katastrophe", fügte er hinzu.

Am vierten Tag der Bodenoffensive häuften sich die Hinweise auf zunehmende Straßenkämpfe, nachdem sich die israelischen Truppen zunächst auf ländliche Gebiete konzentriert hatten. In der Siedlung Schadschaijeh lieferten sich israelische Soldaten und Hamas-Kämpfer heftige Gefechte, wie aus dem israelischen Verteidigungsministerium verlautete. Augenzeugen berichteten von Panzern in der Nähe der Ortschaften Chan Junis und Dir el Balah.

Auf Seiten der israelischen Streitkräfte kamen bis Dienstag sechs Soldaten ums Leben. Vier von ihnen fielen Angriffen aus den eigenen Reihen zum Opfer, darunter allein drei am Montagabend bei der Explosion einer Panzergranate. Die Granate habe während eines Gefechts mit Hamas-Kämpfern nahe der Stadt Gaza irrtümlich die Stellung der Soldaten getroffen, erklärte ein Militärsprecher.

Trotz der massiven Militäraktion dauerten die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen auf Israel weiter an. Mindestens 15 Geschosse schlugen im Süden Israels ein. Dabei wurde in der Stadt Gadera, 40 Kilometer vom Gazastreifen entfernt, ein drei Monate alter Säugling leicht verletzt. Zu Beginn der Offensive hatten die Palästinenser noch mehrere Dutzend Raketen auf Israel abgeschossen.

Am Sitz der Vereinten Nationen in New York kamen die Botschafter mehrerer arabischer Staaten zusammen und riefen den Sicherheitsrat zur Verabschiedung einer Resolution zum Gazastreifen auf. Auch US-Außenministerin Condoleezza Rice wurde noch im Laufe des Dienstag bei den UN erwartet. Am Samstag war eine Erklärung mit der Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand an Einwänden der USA gescheitert.

Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy drängte Syrien zu einer Vermittlerrolle. Nach einem Treffen mit Präsident Baschar Assad in Damaskus sagte Sarkozy, die syrische Regierung müsse helfen, die Hamas vom Weg der Vernunft und des Friedens zu überzeugen. Syrien gehört zu den wichtigsten Unterstützern der Hamas, deren politische Exil-Führung ihre Büros in Damaskus hat.

Italien stellte sich hinter die Bemühungen Sarkozys sowie der Europäischen Union um eine Waffenruhe im Gazastreifen. Das Außenministerium in Rom erklärte am Dienstag volle Unterstützung sowohl für die Vermittlungsversuche der EU-Troika als auch für die Initiative Sarkozys.