Die Geschichte Walter Veltronis erzählt vom Aufstieg und Fall eines italienischen Hoffnungsträgers. Die peinlichsten Sprüche von Silvio Berlusconi.
Rom. Als Bürgermeister Roms war Walter Veltroni außerordentlich beliebt. Das muss er wohl falsch verstanden haben. Doch nicht nur er allein. Auch führende Repräsentanten im zersplitterten Mitte-links-Lager Italiens hatten seine Popularität überschätzt, als sie den Bürgermeister im Herbst 2007 mit überwältigender Mehrheit als neuen nationalen Hoffnungsträger auf ihren Schild hoben. Rom aber ist nicht Italien, und von dem Chef einer neuen Partei werden andere Fähigkeiten verlangt als von einem populären Stadtoberhaupt.
Das ist die bittere Selbsterkenntnis, mit der Walter Veltroni vom Vorsitz der Demokratischen Partei (PD) zurückgetreten ist, nachdem sie am Tag zuvor in Sardinien eine letzte herbe Niederlage erlitten hatte. Gegen Silvio Berlusconi, den genialisch-machiavellistischen Populisten hatte er mit seiner Kunst-Partei keine Chance. Diese Partei ist noch keine zwei Jahre alt. Sie hat keine Geschichte oder Tradition. Sie konnte Berlusconi nichts entgegensetzen. Gegen ihn sollte die PD die neue Hoffnungspartei werden. "Italia moderna" hieß es auf ihren Fahnen. "Si può fare" (Das lässt sich machen) sollte das Motto ihres Triumphzugs werden, in Anlehnung an das "Yes we can!" Barack Obamas. Doch es ließ sich nicht machen. Das diffus links-grün-fortschrittliche Programm der Partei ließ kein Profil erkennen, dem die Wähler Italiens vertrauen wollten. Und Veltroni konnte dem Programm kein Gesicht verleihen. Darum ist er nach Wahlniederlagen in den Abruzzen, Sizilien und Sardinien zurückgetreten.
"Ich habe es nicht geschafft", sagte er auf einer Pressekonferenz, "den Erwartungen nach einer Erneuerung zu entsprechen. Dafür bitte ich um Entschuldigung." Geschafft hatte er es aber vor allem nicht gegen Berlusconi. Völlig bewusst war ihm das aber wohl noch nicht, wie er gleich danach in seinen bitteren Angriffen auf den Gegner einmal mehr unter Beweis stellte. Berlusconi habe seinen Kampf um die Herrschaft der italienischen Gesellschaft gewonnen, weil er "das Wertesystem auf den Kopf gestellt und ein System von Unwerten aufgebaut hat, das mutig bekämpft werden muss". Tatsächlich hat Berlusconi mit seinem medialen Gespür jedoch den Kampf um die Herzen gewonnen, von dem Veltroni auch jetzt noch nichts zu ahnen scheint. Italien brauche "eine radikale Wende", meinte er nur einmal mehr. Er trete zurück, um frischen Kräften Platz zu machen, die "die Zerstrittenheit in der Partei überwinden. Wir müssen eine Mitte-links-Formation aufbauen, die innovativ ist und die Beziehung zum realen Leben der Bürger wiederfinden kann". Für solche Appelle fand er schon vorher keine Zuhörer. Jetzt waren selbst seine innerparteilichen Rivalen Massimo d'Alema und Francesco Rutelli auf der Pressekonferenz gar nicht anwesend.
Als Parteivorsitzender der PD war der "nüchterne Heilsbringer" von Anfang an glücklos. Am Schluss verkörperte er mit seiner Unbestimmtheit das Sprichwort: "Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann." In Italien wurde er dafür als "Buonista" belächelt, als selbst erklärter Gutmensch. Ein "Buonista" zu sein ist Berlusconi noch nie vorgeworfen worden. Bei ihm hatten die Wähler nie einen Zweifel, woran sie waren. Schärfer als viele Analysen hat ein Wahlplakat der PD das Debakel der Opposition beleuchtet. Italien habe eine "ökonomische, soziale und demokratische Krise" hieß es da, und Berlusconi trage "das Gesicht der Krise". Dazu zeigte die PD den Premier dröhnend-heiter wie nach einem seiner legendären Witze. Selbstzweifel lassen sich in diesem Gesicht auch mit der Lupe nicht finden. So möchten wohl viele Italiener gern in die Zukunft schauen. Wahrscheinlich hat keine Kampagne Berlusconi mehr unter die Arme gegriffen als diese Initiative seiner schärfsten Gegner. Das wahre Gesicht der Krise Italiens hat hingegen viel weichere Züge und einen aufrichtig traurigen Hundeblick. In diesen Tagen gehört es Walter Veltroni.