In seiner Rede über die Lage im Nahen Osten fordert der US-Präsident neue Friedensverhandlungen. Die Demokratiebewegung in der arabischen Welt würdigt Obama.
Washington. US-Präsident Barack Obama hat sich im Nahost-Konflikt hinter die Forderung der Palästinenser nach einem eigenen Staat auf Grundlage der Grenzen vor dem Sechstagekrieg 1967 gestellt. Israel müsse erkennen, dass es keinen friedlichen Staat basierend auf "dauerhafter Okkupation“ haben könne, erklärte Obama am Donnerstag in einer Grundsatzrede. Er würdigte darin außerdem die Demokratiebewegung in den arabischen Staaten und rief den syrischen Präsidenten Baschar Assad indirekt zum Rücktritt auf.
Zur strittigen Grenzfrage sagte Obama: "Die Grenzen von Israel und Palästina sollten auf den Linien von 1967 basieren, mit einem Austausch, auf den sich beide Seiten verständigen, so dass für beide Staaten sichere und anerkannte Grenzen etabliert werden“.
Obama würdigte den Freiheitswunsch unterdrückter Völker in Nordafrika und dem Nahen Osten, der in diesem Jahr zum Sturz von Tyrannen geführt habe – und dem vielleicht noch weitere Tyrannenstürze folgten. Jeder Staat in der Region sei einzigartig, es gebe aber gemeinsame Werte beim Kampf um politischen Wandel, sagte Obama. "Unsere Botschaft ist einfach: Wenn ihr die Risiken auf euch nehmt, die Reform mit sich bringt, werdet ihr die volle Unterstützung der Vereinigten Staaten haben.“
Washington stehe vor einem "neuen Kapitel in der amerikanischen Diplomatie“, sagte Obama. Die USA und der arabische Raum seien durch Wirtschaft und Sicherheitsinteressen, durch Geschichte und Schicksal miteinander verbunden. Die erstaunlichen Umwälzungen in der arabischen Welt nach den Volksaufständen in Tunesien, Ägypten, Libyen, Jemen, Bahrain und anderen Ländern zeigten, dass Unterdrückung nicht mehr funktioniere, sagte Obama und verglich die Protestbewegungen mit dem Freiheitskampf der Amerikaner.
Der syrische Präsident könne sich nicht länger mit Unterdrückung an der Macht halten und müsse seinen Kurs ändern, um internationale Akzeptanz zu erlangen, erklärte Obama weiter. Assad müsse sein Land zur Demokratie führen oder "aus dem Weg gehen“. Das gewaltsame Vorgehen syrischer Sicherheitskräfte gegen Demonstranten hat Menschenrechtlern zufolge seit März mehr als 850 Menschen das Leben gekostet. Am Mittwoch hatten die USA Sanktionen gegen Assad persönlich verhängt.
Netanjahu lehnt Grenzen vor 1967 strikt ab
Eine Rückkehr zu den Grenzen vor 1967 lehnt Israel strikt ab. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte nach Obamas Rede, damit verbunden sei eine Bedrohung der Sicherheit Israels. Der Regierungschef wird am Freitag im Weißen Haus erwartet. Bislang hatte Washington den Standpunkt vertreten, die Forderung der Palästinenser nach einem Staat auf Grundlage der Grenzen von 1967 müsse mit israelischen Sicherheitsinteressen austariert werden.
Die von den Palästinensern geplante einseitige Anerkennung eines eigenen Staats vor dem UN-Sicherheitsrat lehnte Obama am Donnerstag ab. Symbolische Maßnahmen zur „Isolation Israels“ führten nicht zu einem unabhängigen Palästina. Außerdem warnte er, eine Beteiligung der radikalen Hamas an einer palästinensischen Regierung werde Friedensverhandlungen erschweren.
Simultanübersetzungen in Arabisch, Farsi und Hebräisch
Es war Obamas erste umfassende Rede zu den Umwälzungen in der Region. Die USA begrüßten jede Veränderung im Nahen Osten, die Selbstbestimmung und Zukunftschancen förderten, erklärte der Präsident. Ägypten sagte er unter anderem einen Schuldenerlass von fast einer Milliarde Dollar zu.
Obama begrüßte zudem die Tötung von Al-Kaida-Führer Osama bin Laden und erklärte, dessen Vision der Zerstörung sei schon verblasst, bevor er von US-Kommandos erschossen worden sei. Den Iran, den sein Vorgänger George W. Bush Teil einer „Achse des Bösen“ genannt hatte, klammerte der US-Präsident in seiner Rede weitgehend aus. In wenigen Sätzen warf er am Donnerstag in Washington der Teheraner Führung Intoleranz, Förderung von Terrorismus und das umstrittene Atomprogramm vor.
Das US-Außenministerium bot Simultanübersetzungen der Rede in Arabisch, Farsi und Hebräisch an.