Narva/Berlin. An Estlands Grenze tauchen immer wieder seltsame russische Flugobjekte auf. Sie sind nicht die einzigen Störungen von Seiten Russlands.
Der Konflikt zwischen Russland und der Nato ist wohl an wenigen Orten so stark zu spüren wie in der estnischen Grenzstadt Narva – wo nur ein rund 100 Meter breiter Fluss beide Länder trennt. Immer wieder provoziert Russland hier die estnischen Grenzschützer. Seit neuestem auch mit bizarren Flugobjekten.
Wie die britische Zeitung „Telegraph“ berichtet, tauchte vor kurzem in der Nähe von Narva ein zeppelinähnliches Flugzeug auf der russischen Seite der Grenze auf. Die Grenzschützer ignorierten das Objekt zunächst, doch am nächsten Tag kehrte es zurück und war diesmal mit einem „Z“ gekennzeichnet, dem russischen Propagandasymbol für den Krieg gegen die Ukraine.
„Es ist gut zu sehen, dass Russland moderne Technologie nutzt“, sagte Egert Belitšev, Generaldirektor der estnischen Polizei dem „Telegraph“ zu dem Vorfall. Doch ihm ist auch klar: „Es wurde absichtlich für alle sichtbar gemacht, um zu sagen: ‚Wir beobachten euch.‘“
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Provokationen von Seiten Russlands haben zugenommen
Laut Belitšev gibt es regelmäßig derartige Vorfälle an der estnisch-russischen Grenze. So wurden vor kurzem mitten in der Nacht von russischen Grenzschützern die Bojen entfernt, die im Fluss Narva den Grenzverlauf markieren. Hinzu kommen regelmäßige antiwestliche Proteste, Waffenschmuggel, Stören von GPS-Sendern und Schleusung von Migranten, die mit Flugzeugen aus dem Irak kommen sollen.
„Wir sehen eine Zunahme von Desinformationskampagnen [gegen Estland] sowie eine Zunahme von Zwischenfällen an der Grenze“, sagte Belitšev dem „Telegraph“. „Vor zwei Jahren gab es 18 Grenzzwischenfälle, dieses Jahr waren es 96.“
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Propagandawettstreit an der Grenze
Besonders plakativ zeigt sich der Konflikt an der Hauptsehenswürdigkeit von Narva, der mittelalterlichen Hermannsfeste, die am Grenzfluss Narva steht – direkt gegenüber von der ebenfalls mittelalterlichen russischen Festung Iwangorod. Von dort beschallten die Russen am 9. Mai – dem Feiertag des sowjetischen Sieges gegen Nazideutschland – die estnische Seite über Lautsprecher und Fernsehbildschirme mit Putin-Reden und russischer Propaganda.
Auf der estnischen Seite reagierte man darauf, in dem an der Hermannsfeste ein großes Banner anbrachte, in dem Putin als „Kriegsverbrecher“ bezeichnet wurde. Zudem hängen mehrere ukrainische Flaggen an der Festung. Dass der Konflikt dabei auch im Privaten ausgetragen wird, spürt die Direktorin des Museums der Hermannsfeste, Maria Smorževskihh-Smirnova. Sie, aber auch ihre Familienmitglieder, sind im Internet Hetzkampagnen und Bedrohungen ausgesetzt.
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Bewohner beschweren sich über lange Wartezeiten am Grenzübergang
Offenbar kommen sie von russischsprachigen Einwohnern Narvas, von denen viele den Krieg gegen die Ukraine unterstützen und auch regelmäßig nach Russland zum Einlaufen und für Verwandtschaftsbesuche reisen. Sie beschweren sich über die langen Wartezeiten, die es an dem Grenzübergang in der Stadt seit Beginn der russischen Invasion der Ukraine gibt.
Gegenüber dem „Telegraph“ behauptete ein Einheimischer, die Esten hätten ihn zwölf Stunden warten lassen, bevor er nach Russland konnte, ein anderer sprach von acht Stunden. Polizeidirektor Belitšev zeigt wenig Mitleid mit ihnen: „Eine Reise in ein Aggressorland sollte nicht gerade angenehm sein.“ Tatsächlich kontrolliert der Zoll sehr stark, dass keine sanktionierten Waren nach Russland gebracht werden. Insbesondere die Ausfuhr von Euro-Bargeld ist strikt begrenzt.
Das gerade an der estnisch-russischen Grenze die Spannungen auch symbolisch so stark ausgetragen werden, ist wenig verwunderlich. Der Baltenstaat, der 50 Jahre Teil der Sowjetunion war, ist seit 2004 Mitglied von Nato und EU. Dort ist er einer der stärksten Unterstützer der Ukraine und gibt mehr von seinem Bruttoinlandsprojekt als Militärhilfe an die Ukraine ab, als andere Länder inklusive Deutschland. Zudem unterstützt die Regierung in Tallinn den geplanten ukrainischen Nato-Beitritt.
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