Berlin. Nach Protesten verliert Südkoreas Präsident den Machtkampf, Militärs sind zurück in den Kasernen. Doch die Demonstranten fordern mehr.

Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol hat das Kriegsrecht wieder aufgehoben. Nach seinem Rückzieher lassen die Proteste allerdings nicht nach.

Demonstranten forderten seinen Rücktritt. Die Opposition stellte einen Antrag auf die Amtsenthebung von Präsident Yoon Suk Yeol. „Wir haben einen Amtsenthebungsantrag eingereicht, der dringend vorbereitet werden muss“, sagten Vertreter von sechs Oppositionsparteien, darunter die größte demokratische Partei DP, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Demnach könnte der Antrag bereits am Freitag zur Abstimmung gestellt werden.

Die Ausrufung des Kriegsrechts löste im ganzen Land Schockwellen aus. Laut der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap haben die Berater des Präsidenten ihren Rücktritt angeboten, darunter sein Stabschef.

Das Kabinett in Seoul traf am Mittwoch um 4.30 Uhr (Ortszeit) zusammen, um das Kriegsrecht offiziell zu beenden. Die Armeeführung erklärte, dass die Soldaten abgezogen wurden und zurück in den Kasernen seien.

Der wichtigste Verbündete, die USA, reagierte „erleichtert“. Das Weiße Haus erklärte, die Demokratie sei das „Fundament“ des bilateralen Bündnisses.

Parlament abgeriegelt – Abgeordnete verschaffen sich dennoch Zugang

Während des Kriegsrechtes war der Zugang zum Parlament blockiert. Zudem waren alle politischen Aktivitäten einschließlich Protesten sowie Parteiaktionen verboten. Das Kriegsrecht schränkte auch die Tätigkeit von Medien und Verlagen ein.

Lesen Sie dazu: „Anschlag auf demokratische Ordnung“: Bange Lage in Südkorea

Südkoreas Parlament hatte die Aufhebung des Kriegsrechts gefordert. 190 Abgeordnete gelangten in der Nacht zu Mittwoch (Ortszeit) in das Parlamentsgebäude und votierten einstimmig, wie Parlamentspräsident Woo Won Shik mitteilte.

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Der Vorsitzende der Demokratischen Partei Koreas, Lee Jae-myung, streamte live, wie er über einen Zaun kletterte, um in das Parlamentsgebäude einzudringen. Zwischenzeitlich versuchten auch Soldaten, das Parlamentsgebäude zu stürmen. Auf Bildern ist zu erkennen, wie sich ihnen Menschen in den Weg stellten. Im Parlamentsgebäude setzten sie sich unter anderem mit Feuerlöschern zur Wehr.

Staatschef Yoon Suk Yeol hatte am Dienstag zum Schutz seines Landes vor Nordkorea den drastischen Schritt verkündet: „Um ein liberales Südkorea vor den Bedrohungen durch Nordkoreas kommunistische Truppen zu schützen (...) rufe ich hiermit das Kriegsrecht aus“, sagte Yoon in einer Fernsehansprache. Durch das Kriegsrecht sollten „pro-nordkoreanische Elemente entfernt werden“.

Südkoreas Präsident ruft das Kriegsrecht aus
Angestellte der Nationalversammlung sprühen einen Feuerlöscher auf Soldaten. © DPA Images | Uncredited

Südkorea: Eskalierte ein Streit über den Haushalt?

Yoon bezichtigt die Opposition, Sympathien für Nordkorea zu hegen. Diese hat im Parlament die Mehrheit und befindet sich in einem dauernden Konflikt mit dem Präsidenten. Yoon ergriff die Maßnahme inmitten eines Streits über das Haushaltsgesetz für kommendes Jahr. Die Abgeordneten der Opposition hatten vergangene Woche nur eine deutlich abgespeckte Fassung des Haushaltsentwurfs im zuständigen Parlamentsausschuss gebilligt.

Das Parlament sei „ein Zufluchtsort für Kriminelle geworden, ein Hort für eine legislative Diktatur, die das juristische und administrative System lähmen und unsere liberale demokratische Ordnung stürzen will“, sagte Yoon in seiner Ansprache dazu. 

Staatschef Yoon Suk Yeol ruft in einer Fernsehansprache das Kriegsrecht aus.
Staatschef Yoon Suk Yeol ruft in einer Fernsehansprache das Kriegsrecht aus. © AFP | JUNG YEON-JE

Er warf der Opposition vor, Gelder für die Kernaufgaben des Staates wie etwa die Bekämpfung der Drogenkriminalität und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zusammenzustreichen und damit einen „Zustand des Chaos bei der öffentlichen Sicherheit“ zu schaffen. „Ich werde das Land zur Normalität zurückführen, indem ich es so schnell wie möglich von anti-staatlichen Kräften befreie.“

Kritik aus der Opposition – und aus der eigenen Regierung

Die Opposition hatte die Maßnahmen scharf kritisiert. Oppositionsführer Lee Jae Myung bezeichnete das ausgerufene Kriegsrecht laut einem Yonhap-Bericht als „verfassungswidrig“ und unbegründet.  

Südkoreas Präsident ruft das Kriegsrecht aus
Südkoreanische Soldaten verlassen die Nationalversammlung. © DPA Images | Kim Ju-sung

Kritik kam auch aus Yoons Regierung selbst. Der Vorsitzende der regierenden Partei, Han Dong Hoon, bezeichnete das Kriegsrecht laut lokalen Medienberichten als „falsch“. Man werde es „gemeinsam mit dem Volk stoppen“, sagte Han. 

Botschaft in Seoul: Keine unmittelbare Gefahr für Ausländer

Die deutsche Botschaft in Seoul sieht keine unmittelbare Gefahr für Ausländer. „Es lässt sich nach jetzigem Stand noch nicht absehen, mit welchen Einschränkungen diese Entscheidung für ausländische Staatsangehörige in der Republik Korea verbunden ist. Unserer Einschätzung nach besteht keine unmittelbare Gefahr für die persönliche Sicherheit und das Eigentum ausländischer Staatsangehöriger“, schrieb die Botschaft in einer Mitteilung an in Südkorea lebende Deutsche. Insbesondere gebe es keine Anzeichen für eine militärische Auseinandersetzung mit Nordkorea. 

Die US-Regierung äußerte sich ähnlich. Die US-Regierung sei nicht im Voraus über die Ankündigung des südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk Yeol informiert worden, das Kriegsrecht auszurufen.

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Spannungen zwischen Nord- und Südkorea nahmen zuletzt weiter zu

Yoon Suk Yeol steht seit Monaten innenpolitisch unter Druck. Zuletzt hat ein mutmaßlicher Korruptionsskandal rund um seine Ehefrau seine Beliebtheitswerte weiter gedrückt.

Südkoreanische Soldaten versuchen sich Zutritt zum Gebäude der Nationalversammlung zu verschaffen.
Südkoreanische Soldaten versuchen sich Zutritt zum Gebäude der Nationalversammlung zu verschaffen. © AFP | JUNG YEON-JE

Seit Monaten haben sich zudem die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel erhöht. Nordkorea baute in den vergangenen zwei Jahren seine Raketentests deutlich aus und verschärfte seine Rhetorik gegen die USA und Südkorea. Zudem schickte Nordkorea tausende Soldaten nach Russland, wo diese bei der Rückeroberung der Region Kursk im Einsatz sind.

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fmg/afp/dpa