Washington. Der Iran greift Israel an. Die USA haben 43.000 Soldaten in die Region entsandt. Donald Trump nutzt den Konflikt für seine eigene Agenda.
Joe Biden ist auf der Zielgeraden seiner Präsidentschaft neben Inlands-Problemen wie Hurrikan Helene seit Dienstagmittag noch ein Stück tiefer in den Nahost-Konflikt gezogen worden. Nachdem der Iran als Vergeltung für die Ermordung von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah durch israelische Bombenangriffe in Beirut Vergeltung durch ballistische Raketen angekündigt hatte, gab der US-Präsident dem in der Region stationierten US-Militär die Order, „Raketen abzuschießen, die Israel zum Ziel haben“.
Zuvor hatte ein Regierungsbeamter in Washington erklärt, dass ein direkter Angriff des Iran auf Israel „schwere Konsequenzen für Teheran nach sich ziehen würde“. Joe Biden (81) verfolgte die iranischen Attacken, von denen nach ersten Berichten das Gros der 200 Raketen rechtzeitig abgefangen werden konnte, aus dem Weißen Haus. An seiner Seite: Vize-Präsidentin Kamala Harris, die in fünf Wochen gegen den republikanischen Herausforderer Donald Trump im Kampf um Bidens Nachfolge antritt.
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Iran greift Israel an: US-Geheimdienste warnten vorab
US-Geheimdienste hatten am Vormittag (Ortszeit Washington) offiziell davor gewarnt, dass Teheran binnen zwölf Stunden mit Raketen-Angriffen gen Tel Aviv beginnen werde. Als Konsequenz rief die US-Regierung zum ersten Mal seit Monaten wieder ihr Personal in der Botschaft in Tel Aviv dazu auf, nach Hause zu gehen und sich für den Gang in die Luftschutzbunker bereitzumachen.
Parallel versicherte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin seinem israelischen Kollegen Joav Galant, dass die USA gerüstet seien, um US-Personal, Verbündete und Partner zu verteidigen.
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43.000 US-Soldaten sind in der Region
Hintergrund: Die Vereinigten Staaten haben in den vergangenen Tagen ihr Truppen-Kontingent in der Region auf über 43.000 Soldaten erhöht. Man sei fest entschlossen, „jeden Akteur daran zu hindern, die Spannungen auszunutzen oder den Konflikt in der Region“ auszudehnen, sagte Austin.
Präsident Biden will fünf Wochen vor dem Wahltermin im eigenen Land mit allen Mitteln verhindern, dass sich der Konflikt Israel-Gaza-Libanon-Iran „zu einem Flächenbrand auswächst“, sagte ein Regierungsoffizieller – und wollte dabei nicht verhehlen, dass man in Washington nicht damit einverstanden war, dass israelische Truppen in den Süden des Libanon eindrangen, um dort „begrenzte Einsätze gegen die Infrastruktur der Hisbollah in der Nähe der Grenze“ zu fahren.
Iran greift Israel an – und Donald Trump attackiert Kamala Harris
Der republikanische US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump nutzte die zunächst unübersichtliche Situation zu Breitseiten gegen die eigene Regierung, ohne Alternativen anzubieten. „Die Welt steht in Flammen und gerät außer Kontrolle. Wir haben keine Führung, niemanden, der das Land leitet“, erklärte Trump und bezeichnete Biden als „nicht existierender“ Präsident und Kamala Harris als „abwesende Vizepräsidentin“. Trump gegen alle Fakten: „Niemand hat das Sagen, und es ist nicht einmal klar, wer verwirrter ist: Biden oder Kamala.“
Gegen 14 Uhr Ostküstenzeit landeten erste entwarnende Informationen aus dem Konfliktgebiet auf Bidens Schreibtisch: Israel meldete, dass es offenbar keine Verletzten durch die Raketen-Angriffe gab. Und dass die Zivilbevölkerung im ganzen Land die Luftschutzbunker wieder verlassen durfte. Auch der zivile Luftraum wurde wieder geöffnet. Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan nannte die „zurückgeschlagenen“ Angriffe Teherans „ineffektiv“. Durch eine präzise abgestimmte Vorgehensweise mit dem israelischen Militär seien die ballistischen Raketen, von denen etliche von US-Zerstörern im Mittelmeer abgefangen worden seien, unschädlich gemacht worden.
In der US-Regierung wird nun mit hoher Aufmerksamkeit verfolgt, wie Israels Antwort auf die Angriffe aus Teheran ausfallen wird, die ihrem Muster nach der ersten Vergeltungswelle des Iran im April (damals aber mit langsamer fliegenden Drohnen) ähnelten. „Davon wird abhängen, wie sich dieser Krieg entwickelt“, hieß es in Sicherheitskreisen. Biden will Israels Premierminister Benjamin Netanjahu von einer erneuten Drehung der Eskalationsspirale abhalten. Ob das gelingt, ist offen.
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