Wien. Es ist nicht lange her, da ermittelten die österreichischen Behörden gegen Emrah I. Trotz zahlreicher Anzeichen ließen sie ihn laufen.

Neumarkt am Wallersee ist der wohl letzte Ort, an dem man islamistische Neigungen vermuten würde. Ein schmucker Ort etwas abseits der Salzburg-Tourismus-Hektik. Herausgeputzte Häuser, eine Pfarrkirche, 6000 Einwohner. Einer davon hat am Donnerstag in München um sich geschossen. Jetzt ist er tot. Am Donnerstag glich der Wohnort des Attentäters in einer Einfamilienhaussiedlung am Ortsrand einer Polizeifestung. Ermittler durchsuchten die Wohnadresse des Attentäters, Nachbarhäuser wurden geräumt. Aufgrund der Vorgeschichte des jungen Mannes ging man davon aus, dass man es dabei auch mit Sprengstoff zu tun haben könnte.

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Es sind die Aussagen, die man von Nachbarn immer zu hören bekommt über einen Attentäter: Unauffällig, nett und zugänglich sei er gewesen. Keinen Hinweis auf Gewaltphantasien habe es gegeben. Man habe ja nicht erahnen können, dass sich ein Mensch derart radikalisieren könne. Die Familie des Attentäters stammt aus Bosnien. Mutter, Vater, der jüngere Bruder des Attentäters sind keine „Fremden“ im Ort. Die Mutter betreibt einen Friseursalon. Man kennt einander, sprach über den Hausbau, den Alltag, das Geschäft.

Bei Emrah I. gab es allerdings durchaus Hinweise. Den Behörden war der junge Mann – er war gerade erst 18 Jahre alt geworden – spätestens seit Februar 2023 bekannt. Der Anlass: eine gefährliche Drohung gegen einen Mitschüler sowie eine damit einhergehende Körperverletzung. Es dürfte sich auch nicht um den ersten derartigen Vorfall gehandelt haben. Immer wieder soll der Jugendliche über Amokläufe geredet haben. Und schließlich wurden damals bereits Strafermittlungsbehörden eingeschaltet. Es gab auch eine Razzia an seiner Wohnadresse.

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Es gab Anhaltspunkte: Emrah I. wurde jedoch nicht als Hochrisikogefährder eingestuft

Dabei fanden die Ermittler Hinweise auf eine religiöse Radikalisierung des jungen Mannes. Im Internet war er in einschlägigen Foren aktiv. Auf seinem Mobiltelefon wurden große Mengen an islamistischer Propaganda gefunden, nämlich vom Islamischen Staat (IS) sowie der Al-Nusra-Front, dem Ableger der Al-Qaida in Syrien. Zudem soll er in einem Online-Spiel Mordszenen aus IS-Propaganda-Videos nachgestellt haben. Die Ermittler stellten fest, dass I. sich für Sprengstoff und Waffen interessierte. Als die Beamten Freunde und Familie des jungen Mannes befragten, bekamen sie zu hören: Man nehme bei ihm eine deutliche Radikalisierung wahr. So habe er plötzlich angefangen, in der Schule zu beten.

Die Staatsanwaltschaft Salzburg ermittelte damals schließlich nicht mehr nur wegen des Vorfalls in der Schule, sondern auch wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. In die Erhebungen war damals auch die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), also der österreichische Verfassungsschutz involviert. Im April 2023 wurden die Ermittlungen allerdings eingestellt. Eine Einstufung von Emrah I. als „Hochrisikogefährder“ gab es nicht. Nichtsdestotrotz wurde gegen den Mann ein Waffenverbot bis Anfang 2028 ausgesprochen. Ob der spätere Attentäter weiter beobachtet wurde, ist nicht bekannt.

Großeinsatz vor dem israelischen Generalkonsulat in München: Der 18-jährige Attentäter war der Polizei bekannt.
Großeinsatz vor dem israelischen Generalkonsulat in München: Der 18-jährige Attentäter war der Polizei bekannt. © dpa | Peter Kneffel

Indes gibt es aber erste Erkenntnisse, wie der 18-Jährige an das Bajonett kam. Demnach soll er es einen Tag vor der Tat bei einem Sammler erworben haben. Es handelt sich laut österreichischem Waffengesetz um eine Waffe der Kategorie C. Solche Waffen müssen behördlich registriert werden, wobei der Erwerb begründet werden muss – allerdings reicht als Begründung auch das Sammeln. Das österreichische Waffengesetz hat hier eine Lücke. Solche Waffen können nämlich von Sammlern privat verkauft werden, müssen vom Käufer jedoch binnen sechs Wochen bei einem Gewerbetreibenden, der zum Verkauf von Schusswaffen berechtigt ist, registriert werden. Dabei würde dann auch ein bestehendes Waffenverbot geprüft.