Berlin. Die Ukraine kurbelt ihre Waffenindustrie an. Der Fokus liegt auf Selbstversorgung. Was die Strategie mit US-Militärs und mit Trump zu tun hat.
Die Ukraine hilft sich selbst. In seiner regelmäßigen Videoansprache kündigte Präsident Wolodymyr Selenskyj an, den Bau von Raketen auszuweiten. Es geht um mehr Waffen und insbesondere um längere Reichweiten. Das Land – immerzu von russischen Raketen bedroht – will zur Gegenwehr übergehen können.
Russland ist weitgehend autark, verfügt über große Reserven und hat industriell den Hebel umgelegt: auf Kriegswirtschaft. Die Ukraine ist ihrem Gegner bei allen Ressourcen unterlegen: bei Rohstoffen, Soldaten, Waffen, Munition. Darauf will die Ukraine mit technologischer Überlegenheit reagieren.
Ukraine-Krieg: US-Militärs rieten zum Strategiewechsel
Hilfe von Partnern kam oft nicht ausreichend, zu spät, oder sie wurde mit Auflagen für den Einsatz versehen. Gleich nach Beginn des Ukraine-Krieges forcierte die Regierung in Kiew denn auch den Bau von Artillerie, Drohnen und Raketen. Und das ist zweieinhalb Jahre später dringlicher denn je, denn:
- Russland setzt auf einen Abnutzungskrieg.
- Viele Nato-Partner können nicht genug Waffen liefern.
- Oder sie halten sie wie Deutschland beim Taurus-Marschflugkörper zurück.
- Die Militärhilfe der USA ist politisch fraglich geworden.
Selbstversorgung der Ukraine als Antwort auf Trump?
Nach der gescheiterten Gegenoffensive empfahlen US-Militärs ihren ukrainischen Kameraden schon im vergangenen Herbst einen Strategiewechsel. Die vermeintliche Erfolgsformel lautete „Hold and Build“.
Gemeint war: Territorium halten. Und: neu aufbauen, gerade bei der Waffenproduktion. Sie empfahlen, die Selbstversorgung der Ukraine zu verbessern und nahmen – ohne ihn zu erwähnen – Donald Trump politisch vorweg. Der Präsidentschaftskandidat will bei einem Wahlsieg den Krieg beenden, möglicherweise indem er die Aufrüstung der Ukraine stoppt; auszuschließen ist ein Deal mit Kremlchef Wladimir Putin auf dem Rücken von Selenskyj nicht.
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Ukrainische Waffenschmieden in Putins Fadenkreuz
Mehr Selbstversorgung ist auch das selbstgesteckte Ziel von Alexander Kamyschin. „Wir sagen, der Tod des Feindes beginnt bei uns selbst“, erklärte der Minister für strategische Industrien in einem Interview. „Es geht darum, zu versuchen, die Dinge selbst zu machen.“
Das macht die Ukraine. Und das kann sie auch, weil das Land früher eine Rüstungsschmiede der Sowjetunion war. Die Ukraine hat das Know-How, Tradition und industrielle Kapazitäten.
Laut einem Agenturbericht sind in der Ukraine seit dem russischen Überfall hunderte Waffenschmieden entstanden. Sie haben freilich zwei Handicaps: Sie sind oft kapitalschwach und ständig im Fadenkreuz. Die Russen greifen Rüstungsbetriebe, überhaupt die gesamte ukrainische Infrastruktur an. Fällt der Strom aus, wird auch die Waffenproduktion gestoppt.
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Umgekehrt fehlen der ukrainischen Armee weitreichende Waffen, um ihrerseits die Rüstungsproduktion im Hinterland in Russland lahmzulegen. Deswegen legt Selenskyj so viel Wert auf eigene Raketen. Man nähere sich der Möglichkeit, „unsere Raketen einzusetzen und uns nicht nur auf die Raketen zu verlassen, die unsere Partner liefern.“
Rakete mit Reichweite von 700 Kilometern getestet
Wie realistisch seine Einschätzung ist, lässt sich schwer beurteilen. Seine Videobotschaften gehören zur psychologischen Kriegsführung. Sie sollen der eigenen Bevölkerung Mut machen; sie sind Variationen von Durchhalteparolen.
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Aber Fakt ist: Die Ukrainer bauen gepanzerte Fahrzeuge und haben laut „New York Times“ seit Kriegsbeginn die Produktion von Panzerabwehrraketen vervierfacht. Die Zeitung beruft sich auf ukrainische Regierungsdokumente.
Die Ukrainer haben auch die Herstellung der älteren Artilleriekanone 2S22 Bohdana wieder aufgenommen und den Mehrfachraketenwerfer Vilkha-M komplett selbst entwickelt. Außerdem stellen sie Granaten mit einem Kaliber von 155 Millimeter her, die Grundmunition für NATO-Haubitzen.
Ukraine gibt Milliarden für eine Million Drohnen aus
Mit Systemen wie 2S22 Bohdana haben sie die Schlangeninsel zurückerobert – und mit Raketen aus eigener Produktion das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte „Moskwa“ versenkt. Selenskyj drängt darauf, die bisherige Reichweite von 300 Kilometern zu erhöhen. Im vergangenen Jahr hatte er sogar schon den erfolgreichen Testeinsatz einer eigens produzierten Rakete gegen ein Ziel in 700 Kilometer Entfernung verkündet.
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Vor allem gibt die Ukraine Milliarden aus, um eine Million Drohnen herzustellen beziehungsweise ihre Reichweite zu erhöhen. Gerade bei den Drohnen tragen Russen und Ukraine einen regelrechten Innovationswettlauf aus. Mit hochauflösenden Kameras können sie die feindlichen Stellungen erkunden; und mit Sprengstoff beladen können sie etwa Panzer oder Depots zerstören.
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Rheinmetall will Produktionslinien eröffnen
Werkstätten zur Drohnenproduktion sind überall in der Ukraine entstanden, teilweise unterirdisch, teilweise in Garagen. Man behilft sich mit 3-D-Druckern und setzt auf importierte Mikroschaltungen, Chips und Akkus. Oft wechseln die Werkstätten – zur Sicherheit – den Produktionsort.
Trotzdem ist die Ukraine weiter auf ausländische Hilfe angewiesen, auch im eigenen Land. Es gibt unter anderem Kooperationen mit einem türkischen Drohnenunternehmen und mit dem deutschen Waffen- und Munitionshersteller Rheinmetall. Die Firma aus Düsseldorf will Produktionslinien in der Ukraine eröffnen.
Einsatzfahrzeuge sollen vor Ort gewartet werden, später auch produziert werden, zum Beispiel der Fuchs-Transportpanzer, der Lynx-Schützenpanzer und der Panther-Kampfpanzer. Die Fertigung des „Fuchs“ stellte Rheinmetall-Chef Armin Papperger in der „Wirtschaftswoche“ schon für 2024 in Aussicht. Sollte die Ukraine diesen Krieg als unabhängiger Staat überstehen, dann wird sie aufgrund ihrer Kapazitäten zu einem relevanten Waffenexporteur auf dem Weltmarkt werden.
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