Hamburg. Ex-Managerin Sabine Sommer will Verband zu alter Stärke führen – und droht mit Klagewelle. Ein Projekt will sie konkret bekämpfen.

Nein, da muss man sich wohl keine Sorgen machen. Diese Frau wird sich nicht in den großen Fußstapfen der Vorgänger verlieren – dafür tritt sie selber viel zu fest auf. Seit ein paar Tagen ist Sabine Sommer neue Chefin des Umweltverbandes BUND in Hamburg. Damit ist die energiegeladene dreifache Mutter indirekt auch Nachfolgerin des langjährigen Landesgeschäftsführers Manfred Braasch.

Braasch hatte den Senat jahrelang vor sich hergetrieben – mit Klagen gegen Elbvertiefung und Luftverschmutzung an großen Straßen, mit dem Kampf gegen das Kohlekraftwerk Moorburg und mit dem erfolgreichen Volksentscheid zum Rückkauf der Energienetze. Nachdem er 2021 in die Umweltbehörde gewechselt war, wurde es etwas stiller um den BUND.

Verkehr Hamburg: Neue BUND-Chefin will gegen Großprojekte klagen

Nun aber hat sich der Verband in Hamburg eine neue Struktur gegeben, erstmals mit einer hauptamtlichen Vorsitzenden – und in diesen nun wichtigsten Job ist die frühere Bosch-Managerin Sabine Sommer ohne Gegenkandidaten und mit sehr großer Mehrheit gewählt worden. Sie soll künftig auch die politische Außenvertretung übernehmen – und damit unter anderem den politischen Kampf für mehr Natur-, Klima- und Artenschutz und gegen Verkehrsprojekte, die Umweltschützern wie aus der Zeit gefallen erscheinen.

„Wir müssen viel lauter werden“, sagt die 47-Jährige im Gespräch mit dem Abendblatt. Schließlich sei der Kampf für die Natur und gegen die Klimakatastrophe nicht irgendwas, das man so hobbymäßig nebenbei mache, weil es ja auch ganz nett sei. Es gehe um die Zukunft des Planeten und der Menschheit. „Noch nie war die Lage so bedrohlich, noch nie war es so dringlich, selbst aktiv in den Kampf zu gehen.“

A26 Ost: „Natürlich werden wir gegen das Projekt klagen“

Dabei schlägt die gelernte Buchhändlerin und Literaturwissenschaftlerin einen großen Bogen – vom Schutz der Frösche, die der BUND bisweilen in großen Aktionen über Straßen trägt, bis zum Klimaschutz und dem Kampf gegen die geplante neue Autobahn A26 Ost. „Es macht einen echt fassungslos, dass im Jahr 2023 noch eine solche Autobahn gebaut werden soll – obwohl es drei Kilometer weiter mit der neuen Köhlbrandquerung eine Alternative geben wird.“ Hinzu komme ja, dass die A26 Ost quer durch eine wertvolle Moorlandschaft führen solle – was nicht nur für den Klima-, sondern auch für den Artenschutz eine Katastrophe sei.

Natürlich werde der BUND gegen das Projekt zu gegebener Zeit klagen, so Sommer. Wie man überhaupt alle rechtlichen Mittel beim Kampf für den Schutz von Natur und Klima einsetzen wolle. „Wenn nötig, müssen wir die Politik eben mit Klagen vor uns hertreiben, damit sie sich besinnt und in die richtige Richtung entwickelt.“ Es gehe ihr aber nicht nur ums Streiten. „Ich will dazu beitragen, Lösungen zu entwickeln und die Hamburgerinnen und Hamburger für unsere Ziele zu begeistern.“

Verkehr Hamburg: „Wir müssen das Auto noch stärker zurückdrängen“

Es sei doch zum Beispiel viel schöner, wenn es in einer Stadt mehr Grün gebe und nicht alles mit Autos zugeparkt sei. In ihrer Kindheit, die sie in Tokio verbrachte, da ihr Vater dort bei Hoechst arbeitete, habe sie noch auf der Straße gespielt, weil es so wenig Verkehr gab. Dort habe nur derjenige ein Auto besitzen dürfen, der auch einen Parkplatz nachweisen konnte, berichtet Sommer. Auch in Hamburg müsse das Auto noch unattraktiver werden.

„Die Menschen müssen sich den öffentlichen Raum zurückerobern“, sagt die schlanke Frau, die sich ehrenamtlich in einer Waldorfschule engagiert und einst bei Bosch als Personalreferentin und Diversity-Managerin gearbeitet hat. Kürzlich habe man etwa beim „Breakfast in Green“ auf der Langen Reihe gesehen, wie ganze Viertel aufblühten, wenn sie vom Autoverkehr befreit würden. „Wir müssen den Blick viel stärker auf das lenken, was wir alle gewinnen, wenn wir die Autos zurückdrängen.“

HVV Hamburg: Die U5 ist Sommer nicht geheuer, auch wegen der Streckenführung

Auch das Großprojekt U5 ist der neuen BUND-Chefin nicht geheuer – weil allein der Bau schon so viel klimaschädliches CO2 freisetze. Die Ankündigung des grünen Verkehrssenators Anjes Tjarks, das Megaprojekt möglichst klimaschonend umzusetzen, hält sie für wenig realistisch – und die Streckenführung der U5 „schon wieder über den sowieso vollkommen überlasteten Hauptbahnhof“ für einen Fehler. Hamburg sei doch vor allem bei den Tangential- und Querverbindungen schlecht aufgestellt.

Sorgen machen der neuen Vorsitzenden auch die längst spürbaren Auswirkungen des Klimawandels. Lange Hitzeperioden ohne Niederschlag machten in Hamburg etwa den Straßenbäumen massiv zu schaffen, so Sommer. „Die jungen Bäume sterben uns derzeit überall weg.“ Wenn es dann aber regne, habe man es oft mit extrem starken Niederschlägen zu tun.

Deswegen müsse Hamburg zu einer „Schwammstadt“ umgebaut werden, so die Forderung des BUND: Das Wasser aus Starkregen müsse quasi aufgesaugt und für folgende Trockenperioden gespeichert werden wie in einem Schwamm. Statt die Straßenbäume wie bisher mit wertvollem Trinkwasser zu wässern, solle die Stadt lieber Rigolen um die Pflanzen errichten, die das Regenwasser optimal speichern könnten.

Umweltschutz: Wie Tschernobyl Sommer zur BUND-Aktivistin machte

Schon mit 17 Jahren wurde Sabine Sommer, damals noch im Taunus, beim BUND aktiv. Dabei spielte ein historisches Ereignis eine wichtige Rolle. „Als ich mit zehn Jahren aus Japan nach Deutschland zurückkehrte, durfte ich wochenlang nicht draußen spielen, weil es in Tschernobyl den Super-GAU gegeben hatte“, berichtet sie. „Mein Vertrauen, dass die Politik schon für unsere Sicherheit sorgen wird, ist durch diese Erfahrung nachhaltig beschädigt worden. Mir wurde klar, dass jeder Einzelne auch selbst aktiv werden muss.“

30 Jahre später ist Sabine Sommer nun in der Position, wichtige Debatten maßgeblich mitzubestimmen und durch öffentlichen Druck oder Klagen vor Gericht Einfluss auf die Politik zu nehmen. Auf eines muss sich der Senat in Hamburg wohl einstellen: Der BUND dürfte unter dieser neuen Chefin in Hamburg wieder unbequemer werden – und lauter.