Hamburg. Grüne Bürgerschaftsfraktion entbindet die 33 Jahre alte Abgeordnete ihrer Aufgaben. Wie der Vorsitzende die Entscheidung begründet.
Die bisherige wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Hamburger Rathaus, Miriam Block, hat ihre Ämter verloren. Die Fraktion stimmte am späten Montagabend nach mehrstündiger Diskussion einem Antrag der Fraktionsvorsitzenden Jennifer Jasberg und Dominik Lorenzen zu, die 33-Jährige von ihrer Funktion als wissenschaftspolitische Sprecherin zu entbinden. 22 Grünen-Abgeordnete stimmten gegen 21.30 Uhr mit Ja, sieben dagegen und zwei enthielten sich.
Für die Sanktionierung der 33-Jährigen war eine einfache Mehrheit der Abgeordneten erforderlich gewesen. Die Grünen-Abgeordneten sprachen sich zudem mit 20 Jastimmen (neunmal Nein) dafür aus, dass sie ihre Mitgliedschaft im Wissenschaftsausschuss und mit 25 Jastimmen (fünfmal Nein), dass sie ihre Mitgliedschaft im Innenausschuss verliert.
Streit bei Hamburgs Grünen: Miriam Block verliert ihre Ämter
Damit konnte sich die Fraktionsführung letztlich nach erheblichem internen Streit durchsetzen. Die Sitzung hatte um 17 Uhr begonnen. Fraktionschef Lorenzen sagte nach deren Ende: „Dies ist die Konsequenz aus dem Verhalten der Abgeordneten in den letzten Wochen. Die Abgeordnete hat wiederholt gegen gemeinsame Absprachen und geteilte Regeln der Kommunikation verstoßen“, so Lorenzen.
„Der nun erfolgte Schritt ist aus Sicht der Fraktion daher notwendig, allen Beteiligten aber auch nicht leicht gefallen.“ Nun sei es Zeit, wieder zur Sacharbeit zurückzukehren „und mit voller Kraft unser Paket aus wissenschaftlicher Aufarbeitung rechten Terrors und parlamentarischer Begleitung weiter voranzutreiben“.
Grüne Hamburg: Offener Brief für Verbleibt von Miriam Block
Vor der Fraktionssitzung kursierte ein Offener Brief mit dem Aufruf „Miriam Block muss bleiben!“. Studierende und wissenschaftliches Personal von Hochschulen aus Hamburg, aber auch aus dem ganzen Bundesgebiet sprachen sich darin „entschieden“ gegen die Abberufung der 33-Jährigen aus.
- https://www.abendblatt.de/hamburg/article238030953/NSU-Mord-in-Hamburg-Neuer-Untersuchungsausschuss-beantragt.html
- https://www.abendblatt.de/hamburg/article238128663/Wissenschaftler-sollen-NSU-Mord-in-Hamburg-aufarbeiten.html
- https://www.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article238060667/NSU-Mord-in-Hamburg-Auch-Gruene-Jugend-fordert-Ausschuss.html
„Es ist nicht vermittelbar, weshalb eine Abgeordnete, die zudem nach Grünen Beschlusslage gehandelt hat, aus sachfremden Gründen ihre wissenschaftspolitische Rolle verlieren sollte“, heißt es in dem Brief. „Besonnene Wissenschaftspolitik wird dringend benötigt. Dafür steht Miriam Block seit langem und seit drei Jahren auch insbesondere in der Hamburgischen Bürgerschaft.“
An einem Untersuchungsausschuss entzündete sich der Streit
Auslöser des Konflikts war ein Antrag der Linkspartei auf Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) zu den NSU-Morden. Die rechtsextremistische Terrorgruppe hatte zwischen 2000 und 2007 bundesweit neun Menschen mit Migrationshintergrund sowie eine Polizistin ermordet, darunter den Hamburger Gemüsehändler Süleyman Tasköprü.
Die Grünen befürworten diesen Vorschlag, den die Linke schon zum dritten Mal vorbrachte, im Prinzip und verweisen darauf, dass Hamburg das einzige von der Mordserie betroffene Bundesland sei, das noch keinen Untersuchungsausschuss eingerichtet habe. Die SPD hält diese Form der politischen Aufklärung hingegen für ungeeignet. So ist es schon seit Jahren, doch dieses Mal eskalierte der Konflikt.
„Es ist erschütternd, dass es hier seit vielen Jahren eine vehemente Ablehnung zur Einsetzung eines PUAs seitens der SPD und CDU gibt“, hatte Grünen-Fraktionschefin Jennifer Jasberg auf Abendblatt-Anfrage erklärt. SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf schäumte daraufhin vor Wut.
Seine Fraktion weise die „unhaltbaren Vorwürfe von Jennifer Jasberg auf das Schärfste zurück“, sagte er dem Abendblatt und nannte es „unsachlich und nicht hilfreich, dass die grüne Fraktionsvorsitzende ohne Rücksicht auf die Angehörigen der Opfer des NSU Stimmung macht“.
Grüne Hamburg: Koalitionskrise knapp verhindert
Nur mit größter Mühe rauften sich die Koalitionspartner auf einer Krisensitzung wieder zusammen und beschlossen als Kompromiss, den Mord an Süleyman Tasköprü noch einmal wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen. Dabei soll es auch um die Frage gehen, warum den Ermittlern der rechtsextremistische Zusammenhang so lange nicht aufgefallen war und stattdessen im persönlichen Umfeld des Opfers ermittelt worden war.
Bei der Abstimmung in der Bürgerschaft war die Fraktion der Grünen zwar nicht vollzählig, aber die Anwesenden hielten sich an diese neue Vereinbarung – bis auf Miriam Block. Sie stimmte für den PUA-Antrag der Linkspartei.