Hamburg. Affäre um politische Einflussnahme: Tschentscher bat als Finanzsenator um „Informationen zum Sachstand“ über Warburg-Bank.

Diesem Brief könnte bei der Aufklärung der Rolle, die die Politik beim Cum-Ex-Skandal spielte, eine entscheidende Bedeutung zukommen. Er umfasst sieben Seiten, geschrieben hat ihn Christian Olearius, Bankier und Mitinhaber der Warburg-Bank. Olearius will darin nachweisen, dass die renommierte Privatbank mit Sitz in der Ferdinandstraße unweit der Binnenalster bei den umstrittenen Cum-Ex-Geschäften stets rechtmäßig gehandelt hat.

Im Oktober 2016, als es um eine mögliche Rückforderung einer Steuererstattung in Höhe von 47 Millionen Euro gegen die Warburg-Bank durch die Stadt ging, schickte Olearius dem damaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und auch der für die Bank zuständigen Finanzbeamtin seine Verteidigungsschrift. Jetzt berichtet das "Manager-Magazin", dass der Bankier sein Schreiben am 9. November 2016 auch dem damaligen Finanzsenator und heutigen ersten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) geschickt hat.

Cum-Ex-Affäre: Tschentscher schreibt Aktennotiz

Laut dem Bericht schreibt Tschen­tscher „oben rechts auf den Brief“ von Olearius die Worte „Bitte um Informationen zum Sachstand“ und setzt seine Paraphe dahinter. Olearius weist in seinem Brief darauf hin, dass der Bank eine Insolvenz drohe, falls die Stadt ihre Forderung eintreiben sollte. In dem Olearius-Brief mit dem Kürzel Tschentschers soll die Passage, in der es um die mögliche „Existenzgefährdung“ der Bank geht, unterstrichen sein. Ob Tschentscher jedoch diese Stelle und wohl noch weitere markiert hat, ließe sich nicht feststellen.

Warum ist das wichtig? Tschen­tscher wie auch Scholz hatten seit Bekanntwerden der Vorwürfe wenige Tage vor der Bürgerschaftswahl am 23. Februar 2020 stets behauptet, nicht in die Entscheidungen der Steuerverwaltung eingegriffen zu haben. Tschentscher betonte, er habe sich gleichwohl über wichtige Vorgänge informieren lassen, so wie er es auch im Cum-Ex-Fall Warburg-Bank getan hat. Darüber hinaus äußert sich Tschentscher aktuell zum Fall unter Berufung auf das Steuergeheimnis nicht.

Warburg-Bank: Wie lief die Steuererstattung?

Es sind die Umstände und der zeitliche Ablauf dieses Steuerverfahrens, die weitere Nachfragen nötig machen. Am 5. Oktober 2016 hatte die zuständige Finanzbeamtin in einem 28-seitigen Gutachten dargelegt, warum sie die ihrer Ansicht nach unrechtmäßige Steuererstattung zurückfordern will, und bat die Steuerverwaltung der Finanzbehörde um Zustimmung. Rechtlich sprach aus deren Sicht ausweislich eines weiteren Vermerks nichts dagegen.

Am 15. November kam der Olearius-Brief vom 9. November mit der Bitte Tschentschers in der Steuerverwaltung an. Und am 17. November entschied laut Magazin eine große Runde aus Beamten der Steuerverwaltung und des Finanzamtes für Großunternehmen plötzlich, auf die Rückforderung zu verzichten. Auch die zuständige Finanzbeamtin hatte ihre Meinung geändert. Zwei Gründe wurden für die Entscheidung genannt: die drohende Insolvenz und die schlechten Aussichten, falls es zu einem Gerichtsverfahren kommen sollte.

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Hat es also doch eine Einflussnahme „von oben“ gegeben? Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) der Bürgerschaft zur Cum-Ex-Steuer­affäre, der Mitte März seine Aufklärungsarbeit aufnimmt, wird sich mit den Vorgängen im Herbst 2016 beschäftigen und nach Beweisen suchen – Beweisen, die es bislang nicht gibt.

"Scholz und Tschentscher haben getan, als sei ihr Name Hase"

Der Hamburger Bundestagsabgeordnete und Vize-Vorsitzende der Linksfraktion, Fabio De Masi, Finanzexperte und Cum-Ex-Spezialist, hat sein Urteil schon gefällt. „Die Behauptung, die Hamburger Politik habe sich nicht mit dem Steuerverfahren gegen die Warburg-Bank befasst, ist in sich zusammengefallen wie ein Kartenhaus. Alles andere wäre auch weltfremd“, sagt De Masi. „Warum haben Scholz und Tschentscher immer wieder so getan, als sei ihr Name Hase, wenn kein Einfluss genommen wurde? Wozu wurden Schreiben vom Senat an das Finanzamt durchgereicht, wenn diese dem Finanzamt ohnehin vorlagen und dieses unabhängig entscheidet?“, fragt der Linken-Politiker.

„Dass nach der Bitte von Tschentscher um Informationen nichts passiert ist, ist unglaubwürdig“, sagt auch Prof. Götz Wiese, CDU-Sprecher im PUA. „Wir haben in den PUA-Akten bislang nicht die komplette E-Mail-Korrespondenz. Ich halte es für zwingend, dass der Fall gerade nach der Korrespondenz zwischen Olearius und Scholz in der Steuerverwaltung von oben nach unten diskutiert worden ist“, sagt Wiese.

Dass der Finanzsenator nicht eingreifen darf, hält Wiese für einen Irrtum. „Die Steuerverwaltung unterliegt der Aufsicht des Senats, der sie an den Finanzsenator abgibt. Tschentscher hätte nicht nur Einfluss nehmen können, er hätte es müssen“, sagt der CDU-Politiker.