Berlin. Der Unions-Fraktionsvize will Ukrainer, die in Deutschland nicht arbeiten, zurückschicken. Der Vorschlag ist unseriös und gefährlich.
Der CSU-Mann Alexander Dobrindt hat schon viele Ämter innegehabt. Er war Bundesminister und ist jetzt Vizechef der Unions-Bundestagsfraktion. Im Grunde seines Herzens ist er aber stets geblieben, was er von 2009 bis 2013 war: Generalsekretär einer Partei – also eine Person, zu deren Job es gehört, unentwegt auf die Pauke zu hauen.
Am Wochenende hat der ewige Generalsekretär in ihm wieder zugeschlagen: Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die keiner Arbeit nachgehen, sollen ihren Schutz verlieren. „Es muss jetzt über zwei Jahre nach Kriegsbeginn der Grundsatz gelten: Arbeitsaufnahme in Deutschland oder Rückkehr in sichere Gebiete der West-Ukraine“, sagte Dobrindt.
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Es ist legitim, darüber nachzudenken, was perspektivisch mit den mehr als einer Million Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind, geschehen sollte. Es ist auch in Ordnung, zu diskutieren, was bisher falsch gelaufen ist. Politiker demokratischer Parteien sollten aber aufpassen, dass sie dabei nicht übers Ziel hinausschießen und die Grenze zum Populismus überschreiten.
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Sozialleistungen: Beschlüsse mit Unterstützung der Union
Zur Erinnerung: Die Flüchtlinge aus der Ukraine haben einen anderen Status als Asylbewerber. Sie können sich für begrenzte Zeit in den EU-Staaten niederlassen, haben Anspruch auf Unterbringung und Sozialleistungen und dürfen sofort arbeiten. Wer keinen Job hat, bekommt in Deutschland Bürgergeld – worüber die Länder froh sind, weil das der Bund zahlt. Als die Regelungen 2022 beschlossen wurden, geschah das mit Unterstützung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sowie der unionsgeführten Bundesländer.
Die Arbeitsmarktintegration der Ukrainer klappt in Deutschland bisher schlechter als anderswo: Das liegt häufig an noch fehlenden Sprachkenntnissen und zögerlichen Arbeitgebern. Oder daran, dass Berufsabschlüsse nicht anerkannt werden. Sieben von zehn Flüchtlingen sind Frauen, häufig mit kleinen Kindern. Die Männer sind im Krieg oder dürfen die Ukraine nicht verlassen. Weil Kita-Plätze fehlen, können viele ukrainische Frauen nicht arbeiten. Und ja: Selbstverständlich gibt es auch unter diesen Flüchtlingen Leute, die mit Sozialleistungen rundherum zufrieden sind.
CDU und CSU: Aus Schaden sollte man eigentlich klug werden
Anstatt die Komplexität des Problems anzuerkennen und seriöse Lösungen anzubieten, skizziert Dobrindt einen Rauswurf im großen Stil. Die Forderung nach Leistungskürzungen reicht ihm nicht. Er muss noch einen draufsetzen. Mal davon abgesehen, dass Russlands Truppen immer wieder auch den Westen der Ukraine mit Raketen beschießen: Der Gewaltherrscher Wladimir Putin dürfte mit Freude zur Kenntnis nehmen, dass führende deutsche Politiker nun Teile jener Arbeit übernehmen, für die ansonsten Moskaus Troll-Fabriken zuständig sind – nämlich Stimmung zu machen gegen ukrainische Flüchtlinge.
Vor wenigen Tagen erst hatte der CDU-Abgeordnete Steffen Bilger behauptet, dass „insbesondere wegen des Bürgergelds so viele Ukrainer bei uns“ seien. Doch die Leute sind gekommen, um ihr Leben zu retten! Die Formulierung blendet auch aus, dass andere EU-Staaten mit geringerem Sicherungsniveau gemessen an der Bevölkerungszahl deutlich mehr Ukrainer aufgenommen haben – Tschechien und Polen etwa.
CDU-Chef Friedrich Merz wiederum hatte vor zwei Jahren gesagt, es gebe einen regelrechten „Sozialtourismus“ von Ukrainern, die mit Fernbussen hin- und herpendelten. Merz war Kreml-Propaganda aufgesessen, er musste umgehend zurückrudern und um Entschuldigung bitten. Eigentlich sollte man meinen, dass sie in der Union aus Schaden klug geworden sein müssten. Ist sie aber offenbar nicht.
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